Kultur: Ein Nicht-Stück auf der Bühne
Hochhuths „Wessis in Weimar“ in Brandenburg
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Als Rolf Hochhuth nach der Aufführung seiner Szenenfolge „Wessis in Weimar“ im Brandenburger Theater sich zeigt, hagelt es Buhrufe. Das Publikum trägt es ihm wohl nach, dass er es fast drei Stunden wieder geschafft hat, Polittheater vorzuführen, ohne dass man davon, bis auf wenige Momente, ergriffen wird.
Im Jahre 1993 geschrieben, hat der Schriftsteller aktuelle Zeitgeschichte verarbeitet. Es geht vor allem um die Arbeit der Treuhandanstalt und ihre Folgen für die ehemaligen DDR-Bürger. In düsteren Farben werden die übervorteilten Ossis durch die Treuhand und korrupten Politiker gemalt. Eine große Palette von Ungerechtigkeiten spricht Hochhuth an: Abwicklung von Betrieben und das Aufkaufen billiger Immobilien durch große Markthaie, Arbeitslosigkeit...
Der Schriftsteller hat ins Wespennest gestochen und sich viele Feinde und Freunde mit seinen „Szenen aus einem besetzten Land“ gemacht. Nur leider verschenkt er hierbei die Möglichkeiten theatralischer Wirkung. Er vermag es wiederholt nicht, ein gutes Stück zu schreiben. Das Interesse an seinen aufgeschriebenen Szenen geht schnell vorbei. Mit Hilfe von dokumentarischen Texten wie Zeitungsartikeln, Interviews, Briefen oder Gesetzestexten will er seine Zuschauer aufrütteln. Doch das Gegenteil erreicht er. Die sperrigen Texte sind oftmals so plakativ und derart lang, dass man ihnen nach fünf Minuten nicht mehr folgen möchte, weil schon alles gesagt ist. Aber rund weitere 15 Minuten muss man ausharren, ehe der „Vorhang“ einer Szene fällt. Dabei versuchen die Schauspieler Barbara Frey, Ursula Staack, Christiane Ziehl, Harald Arnold und Folke Paulsen das Beste aus den Szenen zu machen. Sie schlüpfen in die verschiedensten Rollen und zeigen dabei ihre Wandlungsfähigkeit. Etwas leid tun die Darsteller so manchem Zuschauer dann doch. Wenn es schon am Brandenburger Theater eine eigene Produktion gibt, dann hätte man den Schauspielern richtiges Theaterfutter gegönnt. Eine einzige Szene, nämlich die von Philemon und Baucis, kann das Mitgefühl des Publikums erreichen. Ursula Staack und Harald Arnold spielen das von schwerem Schicksalsschlag gebeutelte alte Ehepaar – sie haben ihren Bauernhof weit unter Wert verkauft und sind völlig mittellos. Mit großer schauspielerischer Konzentration und berührender Gestaltung wissen sie die traurige Lebensernte der beiden Menschen einzufahren.
Inszeniert hat „Wessis in Weimar“ Intendant Christian Kneisel. In seiner ersten Regiearbeit versucht er in dem manchmal viel zu schönen Bühnenbild von Thomas Gabriel pulsierendes Leben mit hübschen Einfällen auf die Bühne zu bringen. Aber er scheitert an diesem Nicht-Stück, dass Rolf Hochhuth lieferte. Man wünscht Kneisel ein Schauspiel, in dem er sich mal so richtig „austoben“ kann. Die abstrakt getanzten Kommentare von Fine Kwiatkowski lenken zwar vom Geschehen auf der Bühne ab, doch man fragt sich: Was soll’s.
Das Ganze könnte eventuell gewinnen, wenn Hochhuth und das Theater den Mut aufbringen, radikal in den Texten und Szenen zu streichen.Klaus Büstrin
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