Kultur: Ein perfektes Paar
Konzert mit June Telletxea und Andreas Arend
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Dann verstummte die Laute und für die letzten Zeilen von Bartolomeo Tromboncinos „Zephyro spira“ gehörte June Telletxea allein der Raum. Sie sang jetzt nicht lauter, eher etwas verhaltener. Aber ihr Sopran, der durch einen so natürlichen Charme besticht, mit Zurückhaltung die Feinheiten der Lieder umspielt und sie dadurch um einiges heller leuchten lässt, dieser Sopran brachte für diesen kleinen Moment ein feines Strahlen in den Kammermusiksaal. Ein Strahlen, das nicht durch Applaus vertrieben, sondern durch den Ton der Laute, die jetzt Andreas Arend wieder spielte, variiert und weitergetragen wurde.
„Proporción Aurea – der goldene Schnitt“ war das Programm von June Telletxea und Andreas Arend überschrieben, mit dem die in Berlin lebenden Musiker am Donnerstag im Kammermusiksaal Havelschlösschen in Klein Glienicke auftraten. Beide waren kurzfristig eingesprungen, weil der ursprünglich angekündigte Lautenist Matthew Jones sein Programm „Follia, Ciacona, Passacaglia“ aus Krankheitsgründen absagen musste. Für die gut 50 Gäste war dieser Auftritt, ohne Matthew Jones zu nahe zu treten, kein Ersatz, sondern ein Glücksfall.
Als eine musikalische Reise haben June Telletxea und Andreas Arend ihr Programm angelegt. Sie geboren in Spanien, er in Bayern, haben sie sich aufgemacht, in knapp zwei Stunden verschiedene Epochen und Stile aus Deutschland und Italien, Frankreich und Spanien zu durchmessen. Und dass June Telletxea und Andreas Arend nicht nur musikalisch, sondern auch im Alltäglichen ein Paar sind, bekommt diesen Reiseabsichten nur umso besser. Wie fein und nuanciert in dieser Verbindung Laute und Gesang aufeinander abgestimmt sind, ist selten zu erleben. June Telletxea mit entsprechender Zurückhaltung, die mit Bewusstsein für Feinheiten auftrumpft, statt mit großer, effektheischender Geste. Andreas Arend mit lustvollem Ansatz an den Saiten, mal auf seiner sechschörigen Renaissancelaute, mal auf der Erzlaute. Einer, der nicht in den zarten Schönklangfarben seiner Instrumente schwelgt, sondern zupackt und so die Kompositionen von Francesco da Milano, Alonso Mudarra und Michelangelo Galilei zu kraftstrotzenden, virtuos-wilden Festen werden lässt.
Neben Frottole, vierstimmige, schlichte Lieder der florentinischen Renaissance und spanischen Romanzen, Airs de cours, Kunstliedern vom französischen Hof und eine Suite mit baskischen Liedern war mit „Picus und Canens“ aus Ovids Metamorphosen auch ein Ausflug in die griechischen und römische Mythologie zu erleben. Ein eigenwilliger, Grenzen, Zeiten und Stile überschreitender Ausflug, wo das Alte, das Traditionelle auf das Neue und sich nicht selten unharmonisch Gebende traf. Die Laute hier neutönend, kantig, fast schon sparsam, mit perkussiven Elementen. Und Ovids Erzählung wurde hier im lateinischen Original zum experimentellen Lautgedicht, so als würde Ernst Jandl durch das ausonische Land wandern. Dirk Becker
Dirk Becker
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