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Kultur: Ein Stachel wider die Selbstverliebtheit

Eleonores Straubs „Dichternarzisse“ leuchtet der Landesregierung heim

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Während sich die gewöhnliche Narzisse längst in den Winterschlaf zurückgezogen hat, steht die von Eleonore Straub geschaffene gerade in schönster Blüte. Die sechs „Blätter“ ihrer baumhohen „Narcissus Poeticus Est“ leuchten ungerührt der Minusgrade kraftstrotzend in den nächtlichen Himmel. Allerdings sind sie ihres Duftes beraubt und auch so von eher gewöhnungsbedürftiger Schönheit. Statt durch Sinnlichkeit punktet dieses Gewächs durch Originalität.

Die vom Bodensee stammende Künstlerin übergab gestern offiziell ihre zehn Meter hohe Skulptur an die Landesvermessung Geobasisinformation Brandenburg (LGB), die ihren Sitz auf dem rege frequentierten Areal der Landesregierung in der Heinrich-Mann-Allee 103 hat. Das Geschrei unter den Mitarbeitern sei groß gewesen – positiv wie negativ – als bereits vor einigen Tagen „das Denk-Mal“ aufgestellt wurde, sagte LGB-Geschäftsführer Heinrich Tilly gestern in die frierende Runde an der Wurzel der vieldeutigen Laternen-Blüte. Dieses Exponat der besonderen Art aufzustellen, sei ein mutiger Schritt gewesen, so Tilly. Er begründete ihn mit dem Gleichklang seines technisch orientierten Betriebes mit dem aus Verkehrsschildern bestehenden symbolhaften Ansinnen der Gestalterin. „Auch wir beschäftigen uns mit der realen Landschaft und müssen in unserer Feldmesskunst generalisieren: Dinge weglassen oder hinzufügen.“

Eleonore Straub geht es in ihrer Verdichtung der Verkehrszeichen um gedankliche Widerhaken. Sei nicht selbstverliebt wie einst Narziss, denn wer sich nur um die eigene Achse dreht, verliert schnell den richtigen Weg – könnte ihre Botschaft lauten. Die 49-jährige ehemalige Landschaftsgestalterin schuf ein Warnschild, das die aktuelle Diskussion zu Umweltfragen begleite, so der Kunsthistoriker Gerd Helge Vogel. Die Künstlerin beschäftigt sich bereits seit 2000 in einer Skulpturenserie mit Botanik und verknüpft sie mit der Mythologie. „Es ist die dritte Narzisse, die wir pflanzen“, so der Kunsthistoriker. Ihre älteren Schwestern befinden sich am ehemaligen Umweltamt in Berlin sowie an der Universität von Rio de Janeiro. Dort kann sie sich in der Bucht von Botafogo spiegeln, so wie es Narzissen eben gerne tun. Auch in Potsdam ist geplant, ihren Fuß künftig zu umspülen.

Eleonore Straub arbeitete 15 Jahre in der Panzerhalle Groß Glienicke. „Ich habe versucht, dass sie als Teil der Mauersicherungsanlage unter Denkmalschutz gestellt wird.“ Vergeblich. Die Halle ist abgerissen, ihre Arbeiten heimatlos. So könnte es sein, dass die Dichternarzisse bald kein Solitär mehr ist. Heidi Jäger

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