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Kultur: „Ein steinharter Platz“

Kuratorin Isolde Nagel zu ihrer Container-Ausstellung „Dialoge +3“ im Schirrhof und der Situation in der Schiffbauergasse

Stand:

Wir wollen über die Schiffbauergasse reden und haben uns vor Ort verabredet. Doch wir müssen umdisponieren. Es gibt hier im Sommer schlichtweg kein Bistro, kein Café, keine Galerie, wo man sich morgens um 9.30 Uhr auf einen Kaffee treffen kann.

Frau Nagel, Sie sind Kuratorin der Ausstellung „Dialoge +3“, die Anfang September in drei Containern auf dem Schirrhof in der Schiffbauergasse eröffnet werden soll. Sind denn Container das Richtige, diesem Standort, dem durch die Sanierung viel Charme genommen wurde, wieder Lebendigkeit einzuhauchen?

Das ist auch meine Frage. Man muss es ausprobieren. Ich habe immer die gesamte Schiffbauergasse vor Augen. Der Schirrhof wird nie die Qualität haben, wie die Wasserseite. Er ist ein steinharter trockener Platz, wo einst Kutschen und Pferde standen. Man muss auch nicht versuchen, ihn zu verhübschen, sondern ihn in seiner harten Qualität nehmen, wie er ist. Ich stelle mir vor, dass dort größere Kunstmärkte oder auch ein Flohmarkt stattfinden könnten. Das Gefühl zu bekommen, hier will ich mich hinsetzen, wird es nicht geben. Dazu ist das Wasser nebenan zu präsent. Es wurde ja auch schon über Brunnen und eine große Skulptur nachgedacht.

Bäume wären sicher auch nicht schlecht.

Die darf es wegen des Denkmalschutzes nicht geben. Was nicht heißt, dass man auf Bäume in Kübeln verzichten muss.

Sie stellen nun drei Container auf, in denen es zu Dialogen unter den Künstlern Birgit Borggrebe, Ellionor Euler und Marcus Golter kommen soll. Der Trollwerk-Verein bespielt bereits zwei Container im Schirrhof: ebenfalls mit dem Ansatz, zeitgenössische Kunst den Sommer über auf den Platz zu bringen. Ist das eine abgestimmte Aktion?

Ja und Nein. Das Trollwerk hatte unabhängig von uns die Container-Idee. Wir erhielten auch unabhängig voneinander eine städtische Projektförderung. Ich hoffe aber, dass das eine das andere stärkt, schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Und wenn die Leute am Ende sagen, im Schirrhof passiert etwas Tolles, kann das doch nur gut sein.

Aber möchte man sich wirklich in einen Container begeben, um Kunst zu sehen?

Das ist für mich ein Versuchsobjekt. Die zwei Container vom Trollwerk stehen ganz gut. Mal sehen, wie es aussieht, wenn unsere noch dazu kommen. Vielleicht lässt es sich auch nicht vermitteln. Und wir müssen wieder Neues probieren. Insofern ist eine Projektförderung besser als eine institutionelle Förderung. Man kann kurzfristig reagieren.

Hat sich der Standort nach seiner Sanierung insgesamt wieder etwas gemausert?

Ich finde, dass er in diesem Jahr einen Sprung gemacht hat. Vor allem wasserseitig: Da gibt es die überlebensgroßen Plastiken von Rivelino aus Mexiko, das Restaurantschiff „John Barnett“ ist aufgewacht und der fabrik-Strand ist total lebendig.

Wie kamen Sie mit der Schiffbauergasse zum ersten Mal in Berührung?

Ich wohne seit 2002 in Potsdam, weil ich die Stadt schöner finde als Berlin, wo ich ebenfalls als Kuratorin tätig bin. Bei einer Ausstellungseröffnung im Pavillon auf der Freundschaftsinsel lernte ich Frau Schirdewan aus dem Kulturamt kennen und so erfuhr ich von dem Beirat für Kunst im öffentlichen Raum, der gegründet werden sollte. Ich bin seit Anfang an dabei, inzwischen also zwei Jahre. Da war die Schiffbauergasse immer ein Thema. Im vergangenen Jahr leitete ich dann einen Workshop speziell zum Schirrhof.

Mit welchem Resultat?

Dass wir ihn in Verbindung mit den ständigen Einrichtungen Museum Fluxus+ und Kunstraum mit temporären Ausstellungen der zeitgenössischen Kunst beleben wollen. Bislang treten die Anrainer zu wenig nach außen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich in der wirklich sehr spannenden Ausstellung von Frank Gaudlitz ganz allein war.

Funktioniert die Vernetzung in der Schiffbauergasse?

Leider noch nicht. Alle reden zwar von Netzwerk und Kooperation und alle sagen auch, toll, wenn etwas passiert. Aber es sollte, bitte schön, woanders stattfinden als vor meiner Haustür. So schaut das Waschhaus argwöhnisch zum Trollwerk, wenn die plötzlich auch Kino anbieten.

Welche Synergien könnte es geben?

Ich sehe da die Hackeschen Höfe in Berlin als gutes Beispiel. Dort ziehen alle Gewerbetreibenden an einem Strang, nicht der Einzelne stellt sich heraus. Nur so ist die Marke stark geworden. Das ist in der Schiffbauergasse noch nicht so. Dort sind zu viele Einzelkönige. In der Kulturverwaltung gibt es mit Henning Krüger mittlerweile einen kompetenten Ansprechpartner. Aber der Supermanager, der vor Ort in der Schiffbauergasse alle unter einer Fahne vereint, die Interessen vom Bioladen über die fabrik bis zum Parkplatzbetreiber abwägt, fehlt. Es wäre auch gut, wenn verstärkt junge Leute ins Boot geholt werden würden. Die haben einen ganz anderen Input.

Welche Erfahrungen können Sie als Kuratorin einbringen?

Seit 2006 betreibe ich in den Hackeschen Höfen in Berlin einen Pavillon, in den ich jedes Jahr sechs Künstler einlade, die dort ihre Installationen vorstellen. Es sind vor allem ausländische Künstler, da man für sie eine bessere Förderung und eher Sponsoren findet als für einheimische. Ich habe auch schon mit Containern gearbeitet. Man muss aber Künstler finden, die sich darauf einlassen. Container haben ja eigentlich eine andere Funktion. Sie weisen Kratzer auf, haben eine farbige Oberfläche, gehen schlecht auszuleuchten. Kein Vergleich mit einer richtigen Galerie.

Wie gehen damit die „Dialoge +3“-Künstler um?

Anfangs wollten wir vom Verein blaue Container aufstellen. Da gab es Protest. Gemietete Container bergen einen gewissen Zufall. Nun bekommen wir von der Stadt neutralere.

Sie plädieren in Ihrem Ausstellungs-Titel für den Dialog. Wie soll der funktionieren?

Gerade zeitgenössische Kunst ist oft sperrig verklausuliert. Man muss über die Sachen reden, denn jeder hat einen anderen Zugang. Wir werden immer sonntags im Container sitzen und das Gespräch mit den Besuchern ganz bewusst suchen.

Viele behaupten, Kunst kann man nicht erklären.

Das finde ich überhaupt nicht. Auch Künstler müssen das können, es ist Teil ihrer Arbeit. Wenn sie sich nur auf einen Selbsterfahrungstrip befinden, sind es auch nicht die spannendsten Künstler. In der Schirrhof-Ausstellung treten aber auch die Künstler untereinander in einen Dialog. Der geht so weit, dass Ellinor Euler die Vielfachköpfe von Marcus Golter bemalt hat.

Die Ausstellung ist das erste Kind des von Ihnen gegründeten Vereins A trans Potsdam. Warum braucht Potsdam einen neuen Verein?

Eine gute Frage. Vielleicht, weil es leichter ist, etwas Neues zu schaffen. Wir sind bislang nur die sieben Gründungsmiglieder, eine Mischung vorwiegend aus Architekten und Künstlern, zum Teil auch aus Berlin. Wir wollen mit unserem Verein projektbezogen arbeiten und stärker die Kunst in den öffentlichen Raum bringen. Gerade die installative Seite fehlt hier in Potsdam noch.

Das Gespräch führte Heidi Jäger

Eröffnung “ am 3. September, 19 Uhr, im Schirrhof in der Schiffbauergasse

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