
© Andreas Klaer
Kultur: „Ein Tag mit Lenné“
Eine Hommage an den preußischen Landschaftsgestalter mit Musik und Spaziergängen
Stand:
Des Gärtners erster Blick aus dem Fenster gilt mit Sicherheit dem Wetter. Vielleicht hätte er sich am Samstagmorgen über den Regen gefreut, der die Gärten mit Wasser versorgt. Doch der erste Blick der Veranstalter der Musikfestspiele war wohl alles andere als freudig, denn Regenwolken verkündeten nichts Gutes für eine Freiluftveranstaltung. Das anberaumte Konzert mit Frühstück im Garten des Marschall-Keith-Hauses musste in den Friedenssaal verlegt werden. Dennoch warfen Besucher einen Blick hinüber zu den Terrassenanlagen und zum Schloss Sanssouci. Nicht nur George Keith, enger Vertrauter Friedrichs des Großen, schätzte die exklusive Sicht zum Weinbergschloss, auch Jahrzehnte später Peter Joseph Lenné – jedoch aus seinem nahe gelegenen Gartendirektoren-Haus.
Dem preußischen Generalgartendirektor Lenné, dessen 150. Todestag sich im kommenden Jahr jährt, war während des Musikfestivals ein Extra-Tag gewidmet. Mit „Mein erster Blick“ begann er und endete mit einem Literarischen Spaziergang über den Bornstedter Friedhof, auf dem der wohl bedeutendste Landschaftsgestalter des 19. Jahrhunderts seine letzte Ruhestätte fand. Martin Ripper spielte in der Kirche virtuose Blockflötenmusik, die der blinde Jacob van Eyck (1590–1657) komponierte. Außerdem brachte der Lenné-Tag weitere Führungen durch Parkanlagen sowie eine Dampferfahrt auf der Havel nach Petzow.
Zum „ersten Blick“ konnte man beim Frühstück einem Konzert mit dem Vocal Concert Dresden unter der Leitung von Peter Kopp lauschen. Seine Mitglieder würde das Geschirrklappern und die manchmal unumgänglichen Gespräche nicht stören, meinte der Dirigent während seiner launigen Moderation: „Nehmen Sie auf uns keine Rücksicht.“ Doch die Gäste kamen nicht nur wegen der kulinarischen Genüsse, sondern auch um musikalische Freuden zu erleben. Die gab es reichlich. Zwar sind Sänger nicht unbedingt begeistert, wenn sie am Morgen ein Konzert geben sollen. Die Stimmen kommen bekanntlich erst im Lauf des Tages richtig in Fahrt. Beim Auftakt mit Antonin Dvoraks Chorsatz „Heut ist’s so recht ein Tag der Freude“ war der Klang dann doch etwas verhangen, er wurde im Laufe des Vormittags aber immer freier, klarer und gewann an stimmlichem Glanz. Zudem offerierte man ein Programm mit stimmungsvollen Morgen- und Wanderliedern zumeist aus der Romantik. Das Ausdrucksspektrum des Chores konnte sich herbei besonders entfalten. Bei Rudolf Mauersbergers aparter Vertonung von Paul Gerhardts Gedicht „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ gab es den altbekannten Text neu entdecken. Mit klanglicher Intensität wurden die „Five Flower Songs“ des Engländers Benjamin Britten zu Gehör gebracht. Herzlich war der Beifall nach der Darbietung.
Dass man beim Vocal Concert eher einen hellen Knabenchorklang bevorzugt, verwundert nicht, ist Peter Kopp doch auch Dirigent beim Dresdner Kreuzchor. Das Vocal-Consort Berlin verfügt dagegen über einen runden und warmen Klang, der den Chorsätzen aus der Romantik besonders gut entgegenkommt. Das konnte man beim musikalischen Spaziergang rund um das Schloss Charlottenhof erleben. Die nur acht Sängerinnen und Sänger vermochten mit Auszügen aus den Gartenliedern von Fanny Hensel und den „Liedern im Freien zu singen“ von Felix Mendelssohn Bartholdy eine klanglich wie ausdrucksstark bewegende Wiedergabe zu erreichen. Der Spaziergang war dem Kantor Joachim Walter gewidmet, der mit dem Vocalkreis Potsdam ursprünglich auftreten sollte. Zur selben Stunde fand in der Friedenskirche die Trauerfeier für den kürzlich verstorbenen Kirchenmusiker statt.
„Ich möchte wohl mit einem solchen Mann das Feld durchwandern“, schrieb Goethe an seinen Freund Carl Friedrich Zelter. Er meinte damit Lenné. Vielleicht hätte er auch den Wunsch gehabt, mit Heinz Schönemann die Parkanlagen von Sanssouci zu erkunden. Obwohl der Potsdamer Kunsthistoriker physisch nicht anwesend war, so konnten die Spaziergänger per Ohrphon den überaus kenntnis- und geistreichen Ausführungen zum Schloss Charlottenhof und dem es umgebenden Park lauschen. Die Intentionen des Architekten Karl Friedrich Schinkel und des Landschaftsgestalters Peter Joseph Lenné, die nach Vorstellungen von Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. ein Siam gestalteten, das als Synonym für eine bessere Welt zu verstehen ist, haben durch die Führung Heinz Schönemanns eine nachhaltige Interpretation erfahren.
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