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Kultur: Ein „Touristenführer“

Bemerkungen zur Hochglanzbroschüre von „Potsdam 2010“ und darüber hinaus

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Bemerkungen zur Hochglanzbroschüre von „Potsdam 2010“ und darüber hinaus Von Klaus Büstrin Die Bewerbung Potsdams als europäische Kulturhauptstadt hat eine 111-seitige Hochglanzbroschüre hervorgebracht, die man gern in die Hand nimmt, die neugierig macht. Im Klappentext kann man lesen, dass die Broschüre als Grundsatzpapier, als Rahmenkonzept für die Bewerbung gilt. Winter-Edition nennt die Projektleitung unter der Leitung Moritz van Dülmens das „Papier“. Die „Sommer-Edition“ wird in diesen Wochen gemeinsam mit dem Kulturministerium erarbeitet. Ende Juni wird sie an das Auswärtige Amt übergeben. Nach einer Stellungnahme des Bundesrates werden dann eine oder mehrere Kandidatenvorschläge Anfang des nächsten Jahres den Gremien der Europäischen Union übermittelt. In der zweiten Hälfte fällt die Entscheidung in Brüssel, welchem der Bewerber der Titel „Kulturhauptstadt“ zuerkannt wird. Auf Vorschlag der damaligen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri beschloss die Europäische Gemeinschaft im Jahre 1985, jährlich eine europäische Metropole mit dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ zu küren. In Deutschland soll eine Stadt – vielleicht auch zwei – diesen anspruchsvollen, verpflichtenden und auszeichnenden Titel wieder im Jahre 2010 erhalten. Die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam bewirbt sich als einzige Stadt des Landes dafür. Von Euphorie der Landeshauptstädter für die Bewerbung wird in der Broschüre berichtet. Mag sein, dass sich hier und da, besonders bei der Projektleitung, den Mitgliedern des Programmbeirats oder in der Stadtverwaltung Begeisterung eingestellt hat, doch leider haben die Potsdamer bislang noch keine große leidenschaftliche Liebe für das Vorhaben entwickelt. Die Veranstaltung zur Vorstellung des Konzeptes in der Schiffbauergasse und die Übergabe an Brandenburgs Kulturministerin Prof. Johanna Wanka in der Sanssouci-Orangerie gerieten lau beziehungsweise wurden ein Flop. Schon allein, dass solch ein wichtiger Akt der Übergabe nur vor geladenen Gästen stattfand, stieß bei vielen Potsdamern auf Kritik. Die Anwesenden in der Orangerie konnten indes die Hochglanzbroschüre „Potsdam 2010“ mit nach Hause nehmen. Ein Bildband ist entstanden, der die Geschichte und Gegenwart Potsdams miteinander verbinden soll: die Schönheit, die Vielfältigkeit, aber auch den Zwiespalt der Entwicklung. Die Fotos, größtenteils von Andreas Süß angefertigt, versuchen den architektonischen und gartengestalterischen Reichtum der Landeshauptstadt in den Mittelpunkt zu rücken. Hin und wieder findet man auch vom aktuellen kulturellen Leben eine bildnerische Darstellung. Aber viel zu wenig. Da gibt es ein Szenenfoto aus dem Film „Der Pianist“, der im Studio Babelsberg gedreht wurde, die Wiedergabe eines Plakates der Ausstellung „Königliche Visionen“ des Potsdam-Museums, ein Foto von einer Theater- und Tanzaufführung, aber nur sehr verschwommen. Das wars! Man hat den Eindruck, in Potsdam ist es in Sachen Kunst und Kultur relativ still. Ansonsten werden viele architektonische Details abgebildet, die zum Teil neue Sichten auf bekannte Bauten ermöglichen. Aber Potsdam ist mehr als eine Stadt, in der Planer und Baumeister Hervorragendes leisteten und in der man in der DDR -Zeit durch überzogene Platten- und Neubauprogramme größtenteils ihr Unwesen trieb. Die Potsdamer Kulturschaffenden werden sich per Foto in dieser Broschüre jedenfalls kaum wiederfinden, ebensoso wenig wie die bildenden Künstler im Programmbeirat. Im Vorwort steht: „Bei genauerer Betrachtung der Kunst- und Wissenschaftsszene der Stadt macht man schier unglaubliche Entdeckungen“. Wenn man in der Broschüre liest, spürt man schon, dass die Autoren sich intensiv mit der Geschichte, der Kultur und der Kunst beschäftigten. Es entpuppt sich als eine Zusammenfassung des Gewesenen, als ein „Touristenführer“, bei dem man nur Vages, das Wichtigste für den Besucher erfährt. Über Visionen, Konzepte ist indes kaum etwas zu lesen, wenn man vom Kulturfahrplan einmal absieht, den man bis 2010 gehen will. 2004 beschäftigt man sich in Potsdam bekanntlich mit Parks und Gärten. Das kommende Jahr wird unter dem beliebigen Titel „Lebendige Stadt“ begangen, dann geht es um Architektur, Film und Neue Medien, Bildende Kunst und schließlich um die Jugend in Aktion. Doch wie wird Potsdam mit den Problemen, die der Kultur durch die fehlenden Finanzen auferlegt wird, fertig? Ein schier unglaubliches Paket von Aufgaben wird sie zu meistern haben. Und die Potsdamer wollen immer noch überzeugt werden, dass die Bewerbung für die Kulturhauptstadt auch mit einer weitgehenden Sicherung von Theater, Kammerakademie, fabrik, T-Werk und all den Clubs oder Chören, den Aktivitäten einhergeht. Die tagtägliche Kultur und Kunst will aber einen sicheren Stand haben.

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