Kultur: Ein vielseitiges Werk, das erstaunt
Zum 110. Geburtstag des Potsdamer Künstlers Walter Bullert
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Zum 110. Geburtstag des Potsdamer Künstlers Walter Bullert Von Klaus Büstrin Walter Bullert war am Ende seines Lebens – 1986 – eine legendäre Erscheinung in Potsdam. Er war Künstler. Die Kunst, so musste er immer wieder feststellen, ist eine strenge Herrin; wenn man sich ihr ganz hingibt. Und ihr hat er mit Verantwortungsgefühl gedient. In sieben Jahrzehnten hat er ein künstlerisches Werk geschaffen, dessen Vielseitigkeit zum Erstaunen bringt. Mit Zeichnungen, Grafiken, Aquarellen, Plastiken, baugebundener Kunst, Buchgestaltungen oder Medaillen überraschte er die Öffentlichkeit. Geboren wurde Walter Bullert vor 110 Jahren: am 24. Mai 1895 in Potsdam. Mit elf Jahren erhielt er Zeichenunterricht bei dem Potsdamer Künstler Wilhelm Thiele, der eine Fortbildungsschule am Kanal besaß. Bis 1914 studierte Bullert an der Akademischen Hochschule für die bildenden Künste zu Berlin. Seit 1922 machte er sich als Maler, Grafiker und Pressezeichner freischaffend, wenige Jahre danach auch als Bildhauer. Seit 1919 spürte man in den Arbeiten Bullerts den Einfluss des Expressionismus, vor allem beim Holzschnitt. Besonders dem Porträt war der Künstler aufgeschlossen. Seine Fähigkeit, trotz subtilster Mittel, sich streng auf Wesentliches und Wesenhaftes zu beschränken, seine Sicherheit auch in kompositorischen Lösungen, zeigen sich besonders beim Bildnis. Die Kunsthistorikerin Renate Bergerhoff bemerkte: „In ihrer rhythmischen Schönheit erinnern die Porträts an Werke von Georg Kolbe“. Vor allem Potsdamer Persönlichkeiten wusste er in seinen Zeichnungen oder Lithografien trefflich zu charakterisieren, sei es der Kunstsammler Paul Heiland, der Allroundkünstler und Lokalpolitiker Fritz Rumpf, der Wissenschaftler Albert Einstein oder der Kunsthistoriker Willy Kurth. Das Gesicht des zu zeichnenden Gegenübers war wohl auch für Bullert wie ein Buch, das spannend zu lesen ist. Von strenger Schönheit leben auch die zumeist kleinen Porträtplastiken aus Holz. Walter Bullert hat sich stets um eine lebendige Kultur in Potsdam gekümmert. Er wollte nicht, dass Kunst in der einstigen Residenzstadt nur innerhalb der preußischen Königsschlösser und -gärten ein Gesicht bekam. Dass der zeitgenössischen Kunst Herzen und Türen geöffnet werden, dafür setzte er sich vehement ein. So unterstützte er den „Potsdamer Kunstsommer“ in den Pflanzenhallen der Sanssouci-Orangerie in den Jahren 1921 bis 1923 als Jurymitglied. Keine Ausstellung in Potsdam sorgte davor und danach so für Furore wie diese Anfang der zwanziger Jahre. Die Mitte April 1945 in Schutt und Asche fallende historische Mitte hat auch Walter Bullert auf Bildern festgehalten. Als er in jenem Jahr aus dem Krieg in seine Geburtsstadt zurückkehrte, berichtete er: „Auf dem Weg nach Potsdam kam ich auch durch Dresden, zu Fuß durch das endlose Trümmerfeld. In Potsdam angekommen, war ich entsetzt, dass es hier genauso aussah. Ich bin hier geboren worden, kannte die Stadt, liebte die Architektur – und nun überall Ruinen, Notquartiere, Hunger und Elend.“ Sein 1925 erbautes Haus am Ravensbergweg fand er zum Teil zerstört vor, eigene Kunstwerke gingen in Flammen auf. Auch er musste einen Neuanfang finden. „Ich erhielt vom Dezernat für den Wiederaufbau der Stadt den Auftrag, die Ruinen zu zeichnen. Sie sollten wegen der Einsturzgefahr und der Gefährdung der Bürger schnell beseitigt werden. Wenn ich zum Beispiel am (Alten) Markt auf die Elektrische wartete, entstanden in wenigen Minuten kleine Skizzen. Ich wollte soviel wie möglich aufs Papier bringen. Fragt mich einer, warum ich damals gemalt habe, muss ich sagen: dieser Auftrag war einerseits mein Broterwerb, und andererseits wollte ich die Reste der wertvollen verloren gegangenen Bauwerke der Stadt für spätere Generationen festhalten“, schrieb Walter Bullert in einem Zeitungsartikel. Seine Ruinenfeldern gehören zweifellos zu den bekanntesten Werken, auch deswegen, weil sie immer öffentlich gemacht werden. Doch es wäre Zeit, wenn man sich an das vielgestaltige und verantwortungsbewusste Schaffen des Künstlers, der auch Lehrer an der Fachschule für angewandte Kunst war, umfassend in einer Ausstellung in seiner Heimatstadt erinnern würde.
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