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Kultur: Ein Wah-Wah für Ginger Baker Buchlesung über Cream-Trommler

Die Welt ist manchmal überraschend klein, um die Menschen auf verschlungenen Wegen zusammenzuführen – und dann wieder nicht klein genug, wie der Dienstag zeigte. Da spielen ein Gitarrist der ersten Jazzgarde der verblichenen DDR und ein Schlagzeuger aus Wien im Potsdamer Nikolaisaal Musik von Cream – vor fast leerem Haus.

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Die Welt ist manchmal überraschend klein, um die Menschen auf verschlungenen Wegen zusammenzuführen – und dann wieder nicht klein genug, wie der Dienstag zeigte. Da spielen ein Gitarrist der ersten Jazzgarde der verblichenen DDR und ein Schlagzeuger aus Wien im Potsdamer Nikolaisaal Musik von Cream – vor fast leerem Haus. Nur wenige Fans sitzen abwartend im Foyer. „Kommt ruhig näher, auch wenn es laut wird“, bittet Ulli Blobel das verstreute Dutzend nach vorn.

Eigentlich ist Blobel heute hier, um das Buch „ Ginger Baker, a natural born drummer“ (Jazzwerkstatt, 24,90 Euro), das er gemeinsam mit dem Wiener Peter Brkusic geschrieben hat, vorzustellen. Der Trommler hat sich – man wird es gleich hören – von Ginger Bakers Stil beeinflussen lassen und eine Cream-Revival-Band gegründet, gleichwohl Brkusic noch in den Kindergarten ging, als Cream, Bakers erste eigene Band mit Eric Clapton und Jack Bruce, sich 1968 nach nur zwei Jahren wieder auflöste. Brkusic hat Baker kennengelernt, sein Spiel förmlich aufgesogen und besitzt eine umfangreiche Sammlung von Material über sein Idol. Ulli Blobel, Produzent und Veranstalter der Berliner Jazz-Szene und Motor der Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg e.V, hat mit Baker mehrere Touren organisiert und Alben produziert. Stoff für ein Buch mit Geschichten über demolierte Tourbusse und verhaftete Bandmitglieder war also vorhanden.

Für den Lesetermin in Potsdam hat Blobel kurzerhand einen alten Bekannten engagiert: Helmut „Joe“ Sachse. Er hat sich einst wie Blobel den Ostfrust mithilfe des Jazz weggerödelt, Sachse aus Sachsen, Jahrgang 48, ist überzeugter Jazzgitarrist – aber auch bekennender Hendrix-Fan. Vor vier Tagen, sagt Peter Brkusic ein wenig stolz, habe Blobel die beiden zum ersten Mal einander vorgestellt. Jetzt spielen sie Cream – nachdem Blobel wieder eine Geschichte über Ginger Baker, das Naturtalent, erzählt hat. Denn eine Lesung ist das nicht, eher eine Plauderei. Wer mehr wissen will über den verrückten Trommler von Cream und Blind Faith, der Generationen von Schlagzeugern Orientierung gab, mittlerweile in Afrika lebt und sich irgendwo zwischen Jazz und Weltmusik eingependelt hat, der mag das Buch lesen.

Wie es geklungen haben könnte, wenn Baker mit Cream unterwegs war, versuchten der Wiener und der Sachse zu vermitteln. „I feel free“, „Sunshine of your love“ – das kennt man, das haben sogar heutige Kids schon mal irgendwo gehört. Peter Brkusic liefert das Trommelsolo von Toad, wie man es von Baker im Ohr hatte, eine wilde Jagd über Snare und Toms in konfusen Polyrhythmen, dazu immer schön die Doublebass durchgetreten, bis sich irgendwann wieder die Gitarre dranhängen darf. Sachse spielt seine „große Liebe“, die Gitarre, seine einzige, wie er sagt. Sie ist 41 Jahre alt und mit Pflaster geklebt, ebenso wie das Kabel. Man hat Sorge, dass das Ding hält – aber vielleicht soll dadurch Authentizität vermittelt werden. Sein Wah-Wah-Effekt-Gerät schnarrt ein bisschen zu viel, aber „das muss so sein, das ist der Cream-Sound“, sagt Blobel. „Das ist der Sachse-Sound“, sagt ein Gast. Sachse spielt nach Noten, für einen Gitarristen der alten Garde wünscht man sich, dass er loslässt. Das tut er endlich, als er allein improvisiert, angejazzter Flamenco, und immer mit dem Fuß auf einem zum Cajon umgebauten Gitarrenkoffer, Marke Eigenbau. Steffi Pyanoe

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