Von Klaus Büstrin: Eine alte Geschichte in Liedern
Vocalise: Sebastian Noack sang die „Dichterliebe“
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Heinrich Heine gehört zu den deutschsprachigen Dichtern, deren Texte man in der Schule begegnet. Vor allem seine Loreley. Aber Nikolaus Lenau? Wer kennt schon diesen österreichischen Lyriker? Dem Kunstlied-Freund wird er sicherlich von Vertonungen seiner Gedichte her bekannt sein. Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Franz Liszt oder Richard Strauss ließen sich von seiner Naturlyrik, seinem Weltschmerz, von dem einzigartigen melancholischen Ton der Texte beeindrucken. Heines Gedichte warten zwar auch mit feiner Naturbeobachtung auf, mit einer Mischung aus Sehnsucht, Lust und Angst, doch können sie auch voll herzhafter Ironie sein. Lenau und Heine lehren den Menschen des 21. Jahrhunderts, dass er neben dem Rationalen auch die Träume braucht.
Der Berliner Bariton Sebastian Noack wählte in seinem Konzert anlässlich der „Vocalise“ in der Friedenskirche Sanssouci Lieder von Nikolaus Lenau und Heinrich Heine, die Schumann und Mendelssohn vertonten. Von „Auf Flügeln des Gesanges (Heine/Mendelssohn) bis „Der schwere Abschied“ (Lenau/Schumann) hat er im ersten Teil eine Palette von 15 Liedern zum Besten geboten. Vom Frühling und Wandern, von der Rose, der Sennerin und der Einsamkeit ist die Rede. Und in jedem Stück von der Liebe.
Christian Noack, der am Bösendorfer-Flügel von dem Berliner Pianisten Manuel Lange begleitet wurde, versuchte aus jedem feingliedrigen Miniaturwunder eine kleine Geschichte zu erzählen. Aber so ganz erreichten sie den Zuhörer nicht, weil der Bariton in seiner Gestaltung noch nicht ganz frei war und zu sehr am Text klebte.
Dies sollte sich mit Robert Schumanns und Heinrich Heines Liederzyklus „Dichterliebe“ ändern. Den sang Sebastian Noack dann ohne Hilfe des Klavierauszugs. Und somit konnte er sich ganz auf das innere Leuchten der Lieder konzentrieren. Der Sänger, der an der Universität der Künste Berlin unter anderem bei Dietrich Fischer-Dieskau studierte, der Preisträger von Wettbewerben ist und sich vor allem dem Konzertgesang widmet, besitzt einen schlank geführten Bariton mit sicherem Stimmsitz. Bisher ihm eine gut ausgestattete Tiefe, die ihm noch mehr farbige Möglichkeiten beim Gestalten erlauben. Sein Timbre ist in jedem Augenblick angenehm zu hören und die Technik herrscht nicht über den individuellen Klang der Stimme.
Und von solch einem Sänger hört man die „Dichterliebe“ gern, die von einem glücklichen Verliebtsein handelt: „Im wunderschönen Monat Mai da ist in meinem Herzen die Liebe aufgegangen“. Doch dann erlebt der Dichter eine Katastrophe. Seine Geliebte heiratet einen anderen. Und die Story wird so zusammen gefasst: „Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu; und wem sie just passieret, dem bricht das Herz entzwei.“ Eine gescheiterte, eine tragische Liebe, die am Ende mit einem Sarg, der sogar größer als das Heidelberger Fass ist, im Meer versenkt wird.
Neben den schwärmerischen Liebeserklärungen, der Trauer um Verlorenes – von besonderer Ausdruckskraft „Ich hab im Traum geweinet“ – ist eine zarte Ironie und sogar Spottlust spürbar. Sebastian Noacks Interpretation liegt in der Differenzierung der Dynamik, mit der er die Dramatik der Liedinhalte gestaltet, aber auch in der Textverständlichkeit, die wie ganz natürlich und völlig unangestrengt ganz einfach da ist.
Der Schumann’sche Zyklus in der überzeugenden Darstellung Sebastian Noacks war ohne die Klaviergestaltung von Manuel Lange nicht denkbar. Der Musiker, der an der Universität der Künste Berlin eine Professur innehat, schafft mit seinem packenden, poetisch-freiem Spiel eine Einheit mit dem Sängerpart. Weich fließende Kantilenen oder pointiert komponierte Ausdrucksinhalte weiß Lange bestens auszudrücken.
Viel Romantik also an diesem Abend in der Friedenskirche. Vielleicht etwas zu viel, denn im ersten Teil des Konzerts wäre ein Kontrastieren mit Liedern der Klassik oder der Moderne nicht zu verachten gewesen. Das Publikum war hörbar von der „Dichterliebe“ begeistert und spendete Sebastian Noack und Manuel Lange viel Beifall.
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