Der Film wird es sicher schwer haben. Wer interessiert sich nach 25 Jahren noch für die Solidarnosc? Die Jugend Polens jedenfalls nicht. Die hat genug von den alten Kamellen der Eltern, stellte Volker Schlöndorff sehr schnell bei seinen Dreharbeiten in Danzig fest. Und auch in Deutschland wird es nicht einfach werden, die Charts zu stürmen, überhaupt Kinos zu finden, die seinen neuen Film „Strajk“ aufführen wollen. „Wir haben an das Projekt geglaubt, wenn es sich nicht überträgt, kann man nichts machen.“
Aber der Regisseur hält eine Trumpfkarte in der Hand, die ihn zuversichtlich stimmt: die großartige Schauspielerin Katharina Thalbach. Sie spielt die Kranführerin Anna (Agnieszka), die die Streikbewegung auf der Danziger Werft in Gang brachte und damit schließlich die Gründung der ersten freien Gewerkschaft im Ostblock bewirkte. Schlöndorff zeigte sich beim Aktuellen Potsdamer Filmgespräch am Dienstagabend recht gelassen, zumal auch seine beiden vorangegangenen Kinofilme anfangs nicht den großen Erfolg fanden, dann aber doch immer wieder ins Fernsehen geholt wurden.
Im Filmmuseum gab es seine „Ballade nach historischen Ereignissen“ das erste Mal zu sehen. Auf den offiziellen Start muss der Zuschauer noch etwas warten. Er ist auf den 8. März 2007 verschoben worden, eben wegen der gedämpften Nachfrage der Kinos.
Es ist der dritte Film, den Schlöndorff in Polen drehte und so lag die Frage von Moderator Knut Elstermann beim Filmgespräch auf der Hand, ob die Wiederkehr nach Danzig für den Regisseur eine Lebensrundung sei. Irgendwie scheine es so, sagte Schlöndorff, denn „Strajk“ ende genau an jenem Strand, wo Katharina Thalbach vor über 25 Jahren in der „Blechtrommel“ von Oskar verführt wurde.
Für die jetzige Regie, der umfangreiche Recherchen in der Danziger Werft vorausgingen, habe er einen Crashkurs absolviert. „Beim dritten Film dachte ich, sollte ich doch etwas Polnisch können.“ Gearbeitet wurde mit einem zweisprachigen Drehbuch, denn außer Katharina Thalbach gab es eine durchweg polnische Besetzung, die der polnische Regieassistent ausgesucht habe. „Es sind alles tolle Schauspieler. Und auch von den Geschichten der Werftarbeiter, die teils als Statisten mitwirken, konnte das Projekt sehr profitieren.“
Anna Walentynowicz, die beseelte, fintenreiche Kranführerin, war die treibende Kraft hin zur Solidarnosc – obwohl sie keinen Plan hatte. „Ihr ging es immer nur im ganz konkreten Fall darum, dass es gerecht zugeht, sei es bei der Mittagsversorgung oder bei der Auszahlung der Hinterbliebenenrente nach dem blutigen Streik auf der Werft. Doch am Ende ist es Lech Walesa, der den Ruhm einfährt. Als er in der Auseinandersetzung mit der Partei einknicken wollte, pochte sie auf weiterreichende Veränderungen.“ Wie Schlöndorff betonte, habe Lech Walesa in seiner Autobiografie Anna durchaus ihre Verdienste zugeschrieben, „aber es kam 1981 dennoch zu einem Zerwürfnis der beiden.“ Anna Walentynowicz war strikt gegen den Film Schlöndorffs. „Dabei haben wir uns streng an das Drehbuch von Sylke Rene Meyer gehalten, für das Anna die Genehmigung erteilt hatte. Dem Drehbuch ging ein Dokumentarfilm Meyers voraus, „der zu 90 Prozent aus gefilmten Gesprächen mit Anna bestand.“ Katharina Thalbach habe sich diesen Dokfilm wenigstens zehn Mal angeschaut, um möglichst nah an ihrer Figur dran zu sein. „Aber man kann natürlich niemanden imitieren, es ist ein nachempfundenes Leben. Aus Rücksicht auf Anna heißt unsere Kranführerin ja nun auch Agnieszka und es steht auch nicht im Vorspann, dass der Film auf eine wahre Geschichte beruht.“
Zu der einmaligen, sehr emotionalen Sondervorstellung in Danzig, zu der alle Beteiligten eingeladen waren, wollte die Filmcrew natürlich auch Ánna dabei haben oder ihr wenigstens den Film auf Kassette zukommen lassen. „Sie lehnte alles rigoros ab, sagte nur immer wieder: ,Ich bin ganz uninteressant“.“ Ihr lag an einem Film über den Verrat der Idee. „Doch dieses Thema kann kein Ausländer verfilmen.“ Sein Film „Strajk“ sei indes von den Polen sehr befürwortet worden, so Schlöndorff: Gerade weil sowohl Ost- als auch Westdeutschland gegen die Gründung der Solidarnosc gern eingeschritten wären. „Dass ich als Deutscher nun einen Film machte, zeigte ihnen, dass wir letztlich doch anerkennen, was sie erreicht haben, sagten mir Polen.“ Heidi Jäger
Am 15. Dezember ist Volker Schlöndorff erneut zu Gast im Filmmuseum. Innerhalb einer Doppelretrospektive ist er gemeinsam mit Drehbuchautor Jean-Claude Carrière in einem Gespräch zu erleben. Carriére adaptierte u.a. Grass“ Blechtrommel als Vorlage für die Schlöndorff-Verfilmung.
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