Kultur: Eine Duftoase im märkischen Sand
Sabine Weichbrodts Garten in Grube beschwört den Charme alter Rosen und die Nähe zur Natur
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Sabine Weichbrodts Garten in Grube beschwört den Charme alter Rosen und die Nähe zur Natur Von Heidi Jäger Oh, wer um alle Rosen wüsste, Die rings in stillen Gärten stehn – Oh, wer um alle wüsste, müsste Wie im Rausch durchs Leben gehn. (Christian Morgenstern) Es ist ein leiser Kampf der Schönheiten. Übermütig und vor Eigensinn strotzend, lassen sie ihre Kräfte spielen und ordnen sich nur widerstrebend unter. Im Garten von Sabine Weichbrodt sind es vor allem die Rosen, die sich volltönend und herrschaftlich aufschwingen. An Pergolen, Buchenlaube und Bäumen ranken sie empor und sind weder in Wuchs noch in ihrer duftenden Fülle zu bändigen. Es bedarf schon eines kräftigen Gegenparts, um nicht von dieser Power erdrückt zu werden. Ein junger Baum hätte bei dem rankenden Eifer der königlichen Pflanze keinerlei Chance. Sabine Weichbrodts Rosengarten ist eine Überraschung. Mitten in der märkischen Streusandbüchse, wo sich für gewöhnlich nur anspruchslose Gesellen arglos tummeln, tut sich hier eine kleine fruchtbare Oase auf, die auch geschmäcklerische Eigenbrötler zufrieden stellt. Zu finden ist sie von Potsdam kommend nach ausgedehnten Rapsfeldern und feurig-rotem Mohnband in dem kleinen Dorf Grube. Doch Achtung: Wenn sich das blau wogende Ritterspornfeld rechter Hand auftut, ist man bereits zu weit. Der Rosengarten am Küssel biegt schon vorher ab – durch tiefe Schlaglöcher vorbei an einem langsam vergehenden Bartnelken-Schlag, einer Pferdekoppel und einem kleinen See. Am Ende der Sackgasse haben dann die Rosen das Sagen: erst auf großen Feldern und unter Folienzelten, die der Bruder Sabine Weichbrodts frisch auf Bauernmärkten vertreibt. Zu guter Letzt kommen dann die Rosen-Raritäten für Schöngeister, die Sabine Weichbrodt eifrig sammelt. Über 100 verschiedene Arten hat sie bereits in ihrem Garten vereint. Vor allem sind es die an Duft und Charme unübertroffenen alten Züchtungen, die sich hier ausbreiten dürfen. Besonders stolz ist die leidenschaftliche Gärtnerin auf die Paul“s Himalayan Musk, ein überwältigender Blütentraum, der die Pergola unter seiner Last zu zerbrechen droht. Bevor wir aber tiefer in die Rosenphilosophie eindringen, gibt es erst einmal unter ihrem rotlaubigen Trompetenbaum – der sich bereits zum Schattenspender mausert – einen kräftigen Ayurveda-Tee. Dabei erzählt die naturverbundene Frau, wie sich aus ihrer anfangs eher aufoktroyierten Beziehung zur Pflanzenwelt schließlich eine tiefe Liebe entwickelte. Der fast 100-jährige von Efeu umrankte Backsteinbau, der die Kulisse für ihre Rosenfestspiele bildet, ist Sabine Weichbrodts Elternhaus: „Hier bin ich geboren und aufgewachsen.“ Kaum konnte sie laufen, wurde ihr ein Korb in die Hand gedrückt, und schon ging es an der Seite der Eltern hinaus aufs Feld. Nicht immer zum Vergnügen des kleinen Mädchens. Wurde anfangs nur dem Gemüseanbau gefrönt, entdeckte der Vater in den 80ern auch das Marktpotential von duftigen Schnittrosen. Auch Sabine legte sich ein kleines Beet an. Inzwischen Gymnasiastin konnte sie ein Zubrot gut gebrauchen. Also ging es mit Schulranzen und Sträußen vor dem ersten Klingeln an der Helmholtzschule erst mal auf den Markt. Auch ihr späterer Beruf baute auf die eingeschlagenen Familienwege. Sabine Weichbrodt studierte an der Humboldt-Universität Berlin Diplomgartenbau, und rückte dann am Institut für Sortenwertprüfung in Marquardt dem Steinobst zu Leibe. Diese für sie so tolle Zeit, fand mit der Wende ein jähes Ende; nachdem zwei Betriebe aus Ost und West zusammengelegt wurden. „Ich hätte die Möglichkeit gehabt, mich in Hannover zu bewerben. Doch als allein erziehende Mutter mit einem einjährigem Kind musste die Karriere zurück stehen. Ich bin nie wieder so richtig in meine Qualifikation reingekommen.“ Nach einer Umschulung arbeitete Sabine Weichbrodt in der Havelländischen Baumschule in Plessow, und dort entdeckte sie auch ihre Liebe zu den alten Rosen. Die Arbeit hat sie inzwischen aufgegeben, die Liebe blieb. Als sie sich vor acht Jahren entschloss, wieder nach Grube in ihr Elternhaus zurückzukehren, gab es auch den entsprechenden fruchtbaren Boden, um den gesammelten Raritäten ein wohliges zu Hause zu geben. So wie sie die alte Waschküche, den Kornboden und den ehemaligen Schweine- und Pferdestall mit viel Akribie und Achtung vor der historischen Substanz zum Wohnhaus umbaute, schwört sie auch in ihrem 800 Quadratmeter großen „Vorgarten“ auf die Nähe zur Natur. Keine akkuraten Wege oder abgezirkelten Beete gibt es hier: Bei Sabine Weichbrodt ist alles in Bewegung, gibt es einen sanften Fluss von Farben und Formen. Und natürlich passen sich hier die wild rankenden, allerdings nur einmal blühenden alten Rosen auch viel besser ein als hochgezüchtete Teehybriden. Doch Dank des „Rosenpapstes“ David Austin gelang es inzwischen durch Rückkreuzungen öfter blühende Englische Rosen zu züchten. Dazu gehört die zu Sabine Weichbrodts Lieblingen zählende, im zarten Apricot-Gelb auftrumpfende „Yellow Charles Austin“, die wie frisch gepresste Zitronen duftet. Die Gartenälteste stammt bereits aus dem 16. Jahrhundert: die Great Madison Blush. Bekannt sind Rosen bereits aus dem 13. Jahrhundert, wo sie vor allem zu Heilzwecken Verwendung fanden, erzählt die Kennerin. Pilgernde Mönche und Kreuzfahrer brachten die symbolträchtigen Duftriesen nach Europa. Seit der Renaissance wird vor allem die Schönheit der Rose gehuldigt. Inzwischen fehlt sie in kaum einem Garten, selbst auf kargen Böden wird laboriert, um ihrer Seele auf die Spur zu kommen. Diese Sorge hat Sabine Weichbrodt nicht: Bei ihr finden im einstigen Hühnerhof die Rosen ein wahres Eldorado. Ihr Blüh- und Rankenwille scheint grenzenlos. Nur den saugenden Parasiten muss sie mit einer Chemiekeule regelmäßig den Garaus machen. Natürlich sind es nicht die Rosen allein, die den urwüchsigen Garten zu einem üppigen floralen Bouquet werden lassen. Als Begleiter gesellte die leidenschaftliche Gärtnerin vor allem Pflanzen in blauen Tönen dazu: Lavendel, Salbei, Salvien, Rittersporn, Katzenminze. Und überall breitet sich auch Geranium aus, schließt ungewollte Lücken, die ansonsten dem Unkraut freie Hand geben würden. Oftmals lässt Sabine Weichbrodt Samen auch ausreifen und eine Flora entstehen, die natürlich wirkt. Wenn diese vorwitzigen Geister hineinpassen, dürfen sie bleiben. „Ein Garten muss leben, Blüten und Blätter haben.“ Nadelgehölze sind bei ihr die Ausnahme. Gern berät Sabine Weichbrodt auch andere Gartenfreunde, vorausgesetzt sie sprechen ihre „Sprache“. Wer nur auf Koniferen und Genauigkeit setzt, ist bei ihr an falscher Adresse. „Ich finde es schön, wenn sich eine Frau schminkt und sie dennoch ganz natürlich aussieht und nicht wie eine Maske. Auch mein Garten soll wirken, wie von der Natur geschaffen.“ Und in diesem Schönheitsempfinden steht sie nicht allein: Beim Buga–Wettbewerb um den schönsten Garten erhielt sie den ersten Preis. Während der Tee langsam zur Neige geht und Sabine Weichbrodt von ihren Ich-AG-Plänen erzählt, geht der Blick immer wieder ängstlich zum Himmel. Erst gestern machte ein heftiger Platzregen den empfindsam-seidigen Rosetten arg zu schaffen. Und am Wochenende soll doch alles besonders schön sein: Zu den Tagen des offenen Gartens, wenn die Stille einer regen Neugier weicht. Am 19. und 20. Juni ist Sabine Weichbrodts Rosengarten, Grube, Am Küssel 8, von 10 bis 18 Uhr, geöffnet. Am 25., 26. Juni: „Im Garten vorgelesen“.
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