zum Hauptinhalt

Kultur: Eine harte Schule

Henning Krüger ist Sachbearbeiter Schiffbauergasse im Kulturamt und hilft, das Erlebnisquartier zu stärken

Stand:

Das Waschhaus begleitet ihn seit seiner frühen Jugend. Er kennt noch den morbiden Charme vergangener Tage. Doch Henning Krüger gehört zu den Rückkehrern, die sich auch mit den sanierten Räumen anfreunden können. Heute tanzt er nicht mehr nur bei Club Color, sondern richtet sein Augenmerk auf das gesamte Kulturareal am Tiefen See. Und das von Berufs wegen. Der 26-jährige Potsdamer arbeitet beim Kulturamt als Sachbearbeiter Schiffbauergasse.

Als vor zwei Jahren der Standort-Beauftragte Martin Schmidt-Roßleben wegen Unstimmigkeiten seine Kündigung erhielt, musste das Kulturamt in die Bresche springen und die Lücke versuchen, zu schließen. Ein neuer Ansprechpartner für die Belange der Schiffbauergasse musste her. Das heißt aber nicht, dass Henning Krüger nun auf den frei gewordenen Posten gerückt ist. Er ist vielmehr die „Schnittstelle“, wie er sagt, zwischen Kulturträgern und Verwaltung. Er ist für das Controlling zuständig, begleitet Veranstaltungen und Veranstaltungskooperationen, betreut Partner, die gastweise Kultur in die Schiffbauergasse bringen.

Doch der große Allrounder vor Ort in der Schiffbauergasse fehlt nach wie vor, auch wenn bis Jahresende die Bietergemeinschaft Heike Neumann und Sebastain Stietzel vorübergehend die notwendige PR-Arbeit leisten. An der Ausschreibung für ein dauerhaftes Management der Schiffbauergasse wird indes mit Hochdruck gearbeitet, wie Henning Krügers Chefin, Birgit-Katharine Seemann, versichert. Die Fachbereichsleiterin Kultur und Museum freut sich, dass ihr mit Henning Krüger ein so junger Mann zur Seite steht, der in der Stadtverwaltung Potsdam gelernt hat und nun Ansprechpartner für die Belange der Schiffbauergasse ist und bleiben wird.

Aber wird er von den „alten Hasen“ des Kulturareals, das seit rund acht Jahren peu a peu saniert wird, ernst genommen? Henning Krüger lächelt. „Einige würdigen schon mein Engagement. An anderen Stellen ist es noch schwierig. Ich habe natürlich nicht die Erfahrung von 20 Jahren Kulturbereich“, sagt er. Aber gerade so eine Aktion, wie das Aufstellen der Großplastiken von Rivelino, bei der er alle Fäden in der Hand hatte, oder das Besorgen der Container für die Ausstellung im Schirrhof „Dialog +3“ verschafften ihm durchaus Anerkennung.

Die Schiffbauergasse besser nach außen zu kommunizieren und übergreifend die kuturellen Träger zu vereinen – dafür sei er angetreten. Und muss sich dabei immer wieder auch mit Beschwerden herumschlagen. „Ich gehe durch eine harte Schule“, sagt er. „Alle wollen etwas verändern, aber alle wollen nichts verändern“, so stelle sich oft die Realität dar, merkte zudem die Fachbereichsleiterin an. Um so wichtiger seien die oft schrecklich langen Anliegersitzungen, in denen 20 Leute mitunter fünf Stunden diskutieren, wie jetzt zum großen Schiffbauergassefest. „Auch wenn am Ende vielleicht nicht immer viel herauskommt, sind diese Zusammenkünfte absolut sinnvoll und wir werden daran festhalten.“

Um die Dachmarke Schiffbauergasse besser zu verkaufen, müssen die Kulturanrainer noch mehr aufeinanderzugehen und auch eigene Veranstaltungen in den Dienst des vereinenden Marketings stellen: Bei den Tanztagen wurde das „Ballett der Boote“ zum Fest am Wasser, die Märchennacht des T-Werks zum Schirrhoffest, das Waschhaus-Open-Air-Kino zum Schiffbauergassen-Kino-Open-Air.

Gerade weil der Run auf das Kulturareal keineswegs so eintraf, wie noch vor Jahren prophezeit, sei das Bündeln der Angebote wichtig. „Die Schiffbauergasse hat kein Alleinstellungsmerkmal. Vor zehn Jahren aber ging man davon aus, dass die Autos hier Stoßstange an Stoßstange parken werden.“ Im Vergleich zu den Anfängen der Besetzerszene sei das sanierte Areal heute um zwei Drittel größer. „Da braucht es wenigstens 3000 Leute, dass es voll aus sieht.“

Henning Krüger beschäftigt sich in seiner Diplomarbeit, die so gut wie fertig ist, mit diesem Thema: „Die Markenentwicklung für Städte, dargestellt am Beispiel Potsdam“. Zu Potsdams Kernstärken, die auch über die Stadt hinaus strahlen, zählen Wissenschaft, Film, Lebensqualität und Geschichte. Wie die Schiffbauergasse in die Marke Potsdam eingebunden werden kann, müsse noch diskutiert werden. „Aber in die Lebensqualität passt sie wohl bestens hinein, zumal in meiner Untersuchung deutlich wurde, dass Potsdam eher als kühl und trocken empfunden wird. Emotionalität und Erlebnis müssen also gestärkt werden.“

Das oft vorgebrachte Argument der Kultureinrichtungen, dass sie zwar zusammen etwas auf die Beine stellen wollen, aber das Geld dafür fehle, lässt Birgit Katherine Seemann nicht gelten. „Wir haben die Marketingmittel in diesem Jahr von 80 000 auf 250 000 Euro angehoben. Und auch die Förderung der freien Träger stieg von 540 000 auf 750 000 Euro.“

Die alten Schiffbauergasse gibt es nicht mehr. „Wir müssen die alteingessenen Träger, wie das Waschhaus, das T-Werk und die fabrik, zur neuen Schiffbauergasse mitnehmen, sonst stellen wir nie eine Identifikation her. Das dauert seine Zeit. Die Langsamkeit der Entwicklung ist allerdings nur schwer zu ertragen“, so die Chefin und ihr junger Mitarbeiter. Die beiden lassen sich in ihrem Eifer jedoch nicht bremsen.Heidi Jäger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })