Kultur: Eine Jubilarin im besten Alter
Potsdamer Kantorei wird 50 / Während der Vocalwoche singt der Chor Händels „Der Messias“
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Fünfzig Jahre Potsdamer Kantorei. Ein besonderes Jubiläum, denn der Chor ist unverwechselbar Potsdamer Musikgeschichte geworden. Natürlich hatte die Erlöserkirche, die Anfang des 20. Jahrhunderts im neugotischen Stil in der Brandenburger Vorstadt erbaut wurde, auch vor 1957 einen Kirchenchor, vielleicht einen eher schlichten.
Doch mit Friedrich Meinel, der vor 50 Jahren Kantor und Organist an der Erlöserkirche wurde, kam ein Kirchenmusiker, der der Musica sacra an diesem Gotteshaus ein neues Gewicht gab. Als erste größere kirchenmusikalische Aufführung erklang Georg Friedrich Händels „Dettinger Te Deum“. Friedrich Meinel erarbeitete mit seinem leistungsstarken Chor bald ein großes Repertoire der Oratorienliteratur, von Bach über Mozart, Mendelssohn Bartholdy, Brahms, Bruckner bis zu Britten, Martin oder Helmut Barbe. Vom letzteren Komponisten führte er das Potsdamer Te Deum anlässlich der 1000-Jahr-Feier der Stadt zum ersten Mal auf. Friedrich Meinel hat sich immer wieder um Vielfalt in seiner kirchenmusikalischen Arbeit bemüht. Er baute einen leistungsfähigen Kinderchor, dann ein Kammerensemble, den Motettenchor, auf. Bis vor zehn Jahren stand Meinel vier Jahrzehnte lang hauptamtlich der Kirchenmusik an der Erlöserkirche vor. Aus Altersgründen verabschiedete er sich als Kantor. Heute ist er aber noch im Ehrenamt Organist an diesem Gotteshaus. Meinel, so konnte man immer wieder staunend feststellen, ist sich immer gleich geblieben in der Hingabe an die Sache, nämlich in der Verpflichtung für die Musica sacra, für die Verkündigung der Frohen Botschaft.
Der israelische Dirigent Ud Joffe, der unter anderen an der Berliner Universität der Künste studierte, „stürzte“ sich als Nachfolger Meinels 1997 mit großer Begeisterung in die musikalische Arbeit an der Erlöserkirche. Das Herzstück, die Kantorei, ist nach wie vor ein Chor mit erstaunlicher Qualität. Den Neuen Kammerchor entwickelte er zu einem Ensemble mit internationaler Reputation, das Neue Kammerorchester ist ein gefragter Partner für Oratorienaufführungen weit über Potsdam hinaus. Auch mit eigenen Sinfoniekonzerten ist es in der Landeshauptstadt längst zu einem nicht mehr wegzudenkenden Klangkörper geworden. Die Kantoreischule, die im vergangenen Jahr für Kinder gegründet wurde, ist eine beliebte Einrichtung geworden, die von Kindern und Eltern schnell ins Herz geschlossen wurde. All diese Ensembles und Projekte haben sich unter dem Dach von „Musik an der Erlöserkirche“ vereinigt.
Ud Joffe erlebt man als einen Dirigenten mit großer musikalischer Gestaltungs- und Ausstrahlungskraft, als einen Organisator in der Unbeirrbarkeit seiner Pläne und Programme. Dies kann man auch bei der von ihm initiierten „Vocalise“ erleben. Bereits zum siebenten Mal wird die Potsdamer Vocalwoche veranstaltet. Acht Konzerte sind im Programm. Darunter zwei Konzerte mit der Potsdamer Kantorei. Am 1. und 2. Dezember musiziert die 50jährige Jubilarin gemeinsam mit Solisten und dem Neuen Kammerorchester Händels berühmtestes Oratorium: „Der Messias“. Was der Komponist bei seiner Arbeit fühlte, hat er enthusiastisch bekannt: „Ich glaube, ich sähe alle Himmel offen vor mir und Gott selbst“.
Eine bessere und festlichere Geburtstagskomposition gibt es wohl kaum.
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