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Kultur: Eine lange Reise

Margarete Biereye und David Johnston inszenieren mit Studenten „Die Konferenz der Vögel“

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Nur wenige schaffen es bis zum Palast des Wunderkönigs Simorgh. Tausende Vögel sterben auf dieser langen mühevollen Reise durch die sieben Täler und die weite Wüste. Doch alle lernen etwas auf diesem beschwerlichen Weg: über sich und über den Sinn des Lebens.

Schon lange geisterte das allegorische Stück „Die Konferenz der Vögel“ von Jean-Claude Carriére im Kopf von Margarete Biereye herum. Irgendwie ist es schließlich auch ein Stück über ihr eigenes Leben, über ihre eigene rastlose Suche, auf die sich die Leiterin des Wandertheaters „Ton und Kirschen“ immer wieder begibt. Und dann kam dieses verlockende Angebot der Dimitri Theaterhochschule aus dem Tessin. Sie sollte gemeinsam mit ihrem Lebens- und Spielpartner David Johnston ein Stück mit zehn Studenten inszenieren. Für zwei Monate verließen die beiden Schauspieler und Regisseure ihren Wohnwagen in Glindow, um sich in einer alten Villa in der italienischen Schweiz einzuquartieren. „Oft wurde ich aus dem Schlaf gerissen, weil mich diese Arbeit einfach nicht losließ. Dann weckte ich David und wir probierten nachts gemeinsam meine spontanen Ideen aus“, sagt Margarete Biereye.

Beide sind inzwischen über 60 Jahre und haben ein gutes Stück ihrer Lebensreise hinter sich. Die führte sie arbeitsreich über alle Kontinente und immer weiter in die eigene Seelenwelt hinein. Gerade in der Figur des Wiedehopfs entdecken sich beide wieder. Das ist der älteste und erfahrenste Vogel in dem Stück. Er wird in der Versammlung der Tiere zum Reiseleiter gewählt und will alle Vögel mitnehmen. Schließlich sind sie unzufrieden mit der jetzigen Situation, mit den Streitigkeiten um die meisten Körner. Der Wiedehopf möchte nach einem neuen Geist suchen. Die meisten wollen zwar auch eine Veränderung, sich aber nicht selbst bewegen. Die Eule will bei ihren Schätzen bleiben, die Ente an ihrem See. Der Papagei möchte anfangs zwar unbedingt mitfliegen und lässt sich vom Wiedehopf aus seinem Käfig befreien. Doch als er die Flügel schlägt, merkt er, dass er im Käfig das Fliegen verlernt hat. Plötzlich bäumt sich auch noch ein Pfau vor ihm auf, riesengroß seinen Federfächer spreizend. Der Papagei bekommt Angst und sucht schnell wieder den Schutz des Käfigs.

Für Margarete Biereye liegt eine große philosophische Tiefe in dieser geschichtenreichen Odyssee. „Sie erzählt davon, wie sich die Qualität des Lebens durch die Reise verändern kann.“ Es beschäftigt das Künstlerpaar naturgemäß verstärkt, wie man sich auf das Ende seiner eigenen Lebensreise vorbereitet, auf den Moment des Todes, der alle Sequenzen des Lebens noch einmal offenbart. „Jede Lebensreise ist zunehmend ermüdend. Es stellen sich körperliche Beschwerden ein. Man kann nicht mehr so herumspringen. Aber es ist schön, wenn man noch etwas weitergeben kann, so wie der Wiedehopf.“ Oder wie sie als Regisseure an die Studenten.

Bislang hatten die jungen Leute an ihrer vor allem auf Bewegung ausgerichteten Schule nur wenig mit Text gearbeitet. „Sie waren richtig hungrig nach einem Stück. Am Ende stellten sie die Figuren so glaubhaft dar, dass die Kommission der Hochschule und das Publikum in den bislang fünf Aufführungen begeistert waren.“ Die Studenten schwebten förmlich über die Bühne, seien alle sehr trainiert und bestechend in ihrem körperlichen Ausdruck, schwärmt Margarete Biereye. Sie bewegen auch den Wiedehopf, der als Marionette etwas Übersinnliches ausstrahle. „Ich sehe in Glindow oft fasziniert zu, wenn die Vögel wegfliegen und wiederkommen, und es liegt für mich ein Geheimnnis darin.“ So wie in diesem Stück, in dem sie nun das Unsichtbare sichtbar machen möchte.

Dieses Stück aus den 70er Jahren beruht auf ein Versepos von Fara ud-Din Tatar, der vor über 1000 Jahren lebte und noch heute in der islamischen Welt so populär ist wie im deutschsprachigen Raum die Gebrüder Grimm. Für das Theater wurde diese Fabel von dem großen Regisseur Peter Brook entdeckt. „Brook fuhr mit einer Gruppe von Schauspielern nach Afrika und näherte sich dort durch Improvisation der Fabel von Tatar. Ich war zu der Zeit Schülerin auf der Pariser Theaterschule Jacques Lecoq und mit der Brook-Gruppe befreundet.“ Schon damals sei sie von dem sehr theaterbezogenen Stoff fasziniert gewesen. Seitdem hat diese Geschichte zahlreiche Interpretationen erfahren. Nun fügen Margarete Biereye und David Johnston die ihrige dazu: mit den jungen Leuten aus der Schweiz, mit viel Tanz, Musik und Akrobatik und mit den altersweisen und rätselhaften Geschichten des Wiedehopfs.

„Die Konferenz der Vögel“ am morgigen Samstag um 20 Uhr und Sonntag, 9. Dezember, 16 Uhr, in der „fabrik“, Schiffbauergasse. Karten im Vorverkauf 8, ermäßigt 6 Euro, an der Abendkasse 10, ermäßigt 8 Euro

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