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Liebte und lebte kurz und heftig. Der russische Schriftsteller Anton Pawlowitsch Tschechow wurde nur 44 Jahre alt – war aber schon zu Lebzeiten ein Star.

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Kultur: Eine Leidenschaft in Briefen

Im Garten Sedemund wurde aus der Korrespondenz Anton Tschechows mit seiner Frau vorgelesen

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Als sich die Schauspielerin Olga Knipper und der Dramatiker Anton Tschechow im Herbst 1898 im Moskauer Künstlertheater bei den Proben zu Tschechows Stück „Die Möwe“ kennenlernen, ist es der Beginn einer großen Liebe. Aber auch einer, die nicht allzu lange währt: Tschechow stirbt 1904 im Alter von nur 44 Jahren, den beiden bleiben so nur wenige gemeinsame Jahre – in denen sie auch noch die meiste Zeit getrennt voneinander leben. So schreiben sich Tschechow, der aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung die langen Wintermonate auf Jalta lebt, und Olga, die als gefeierte Schauspielerin regelmäßig in Moskau auf der Bühne steht, beinahe täglich zärtliche Briefe und Telegramme, in denen sie sich gegenseitig ihrer Liebe versichern und die immer nur wenigen Wochen ihres Beisammenseins herbeisehnen.

Diese wunderbare Korrespondenz wurde 1998 von der Übersetzerin Andrea Clemen unter dem Titel „Mein Herz - mein Hund“ zu einem Theaterdialog zusammengestellt. In der Urania-Reihe „Im Garten vorgelesen“ haben Simone Kabst und Andreas Hueck vom Theaterensemble Poetenpack Potsdam am Sonntagnachmittag im prachtvollen Garten von Jochim Sedemund diesen Text zum Leben erweckt.

Zu Beginn ihres Liebesverhältnisses, so scheint es, tasten sich Tschechow und seine Olga noch gegenseitig ab, so gezielt höflich und freundschaftlich klingen die Worte, die da am lauschig schattigen Plätzchen nah am Ufer des Heiligen Sees zunächst zu vernehmen waren. Doch während sich der Literat und die Schauspielerin einander seelisch annähern, er über die entsetzliche Langeweile in der Provinz klagt, sie selbstkritisch auf ihre Arbeit schaut und sich der Literat und die Schauspielerin gegenseitig als Künstler bestärken, wird aus dem „Sie“ bald ein vertrauliches „Du“.

Sehr schön ist das, wie es Simone Kabst gelingt, mit heller und glockenklar fröhlicher Stimme Olga Knipper als liebenswerte Diva zu verkörpern. Als Frau, die die Bühne nicht missen mag, die es jedoch ebenso kaum aushalten kann, ihren Geliebten, den sie 1901 auch heiratet, endlich wiederzusehen. Nicht weniger glänzend versteht es Andreas Hueck, Tschechows oft neckisch lakonische Bemerkungen, das Herunterspielen der eigenen Krankheit oder den jäh aufblitzenden Humor stimmlich zu transportieren. Eine ebenso treffliche Wahl, wie diese beiden Interpreten, ist sicher auch die Magdeburger Violinistin Viktoria Malkowski.

Gleich betörenden Zwischenspielen erklingen ihre stets exzellent dargebotenen Stücke von Bach, Telemann, Bartok oder Hindemith, häufig dann, wenn Olga und Tschechow gemeinsam Zeit verbringen und ihr Briefwechsel unterbrochen ist. Setzt der dann wieder ein, tauschen die Eheleute bisweilen auch ganz alltägliche Dinge aus. So erfährt Tschechow, der sich oft über das schlechte Wetter auf Jalta auslässt, von seiner Frau wiederum Neues über die Wohnungssuche, aber auch viel über das Theaterleben in Moskau und natürlich über den Erfolg seiner Stücke „Drei Schwestern“ und „Der Kirschgarten“, in denen sie jeweils große Rollen spielt.

Und während sich allmählich der Himmel zuzieht und erste Regentropfen fallen, amüsieren sich die gut 200 Gäste im Garten Sedemund unbeirrt über „mein Krokodil“, „mein Hund“ oder „meine Wanze“ – all jene seltsamen Liebkosungen, mit denen Tschechow seine Olga immer häufiger anredet. Wie geschickt er damit aber auch von seiner Krankheit ablenkt, wird einem plötzlich klar, als Simone Kabst, am Ende dieser hervorragenden Lesung, aus einen Brief vorliest, worin Olga ihrer Mutter mit traurigen, ruhigen Worten den Tod ihres Ehemanns schildert.

Die nächste Gartenlesung der Urania findet am 9. August im Fuchsienparadies Näser, Amundsenstraße 9, in Bornim statt. Dort lesen Anna Schudt und Moritz Führmannl einmal um 16 Uhr und einmal um 19 Uhr, aus Thomas Manns „Josef und seine Brüder“. Der Eintritt kostet 13, ermäßigt 10 Euro

Daniel Flügel

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