Kultur: Eine Odyssee durch Schlösser und Kriegswirren „Dame mit Papagei“ seit gestern im Schloss Caputh
Von Heidi Jäger Wenn dieser Papagei reden könnte, hätte er sicher so manche spannende Geschichte zu erzählen. Als er vor gut 315 Jahren unter dem Pinselstrich des niederländischen Malers Willem van Mieris das Licht der Welt erblickte, schmückte er alsbald das kurfürstliche Anwesen von Dorothea von Brandenburg im Stadtschloss Potsdam.
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Von Heidi Jäger Wenn dieser Papagei reden könnte, hätte er sicher so manche spannende Geschichte zu erzählen. Als er vor gut 315 Jahren unter dem Pinselstrich des niederländischen Malers Willem van Mieris das Licht der Welt erblickte, schmückte er alsbald das kurfürstliche Anwesen von Dorothea von Brandenburg im Stadtschloss Potsdam. Nach ihrem Tod verschlug es ihn an diverse andere Hohenzollern-Residenzen, er schmückte Ausstellungen und versank in Depots, um schließlich wieder zu neuen Ehren zu kommen. 1945 wurde es still um ihn, denn ein britischer Soldat nahm ihn in skrupelloser Siegerpose einfach unter den Arm und ließ ihn verschwinden. Diplomatie brachte am Ende Erfolg Dass er nunmehr an seinen angestammten Platz ins Brandenburgische zurückkehren darf, liegt an einem pfiffigen, kunstsinnigen und lauteren Mann aus Holland namens Willem J. Hoogsteder. Er kam gestern mit einem großen Holzkoffer in der Hand direkt aus Haag angereist und überreichte den Papagei samt seiner ihn über die Jahrhunderte emsig fütternden Dame dem Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), Prof. Hartmut Dorgerloh. Zwei Jahre wurde über die Rückführung des im Jagdschloss Grunewald entwendeten kleinen Gemäldes „Dame mit Papagei“ verhandelt. Fast drohten die Gespräche zu scheitern, als die Preußische Stiftung trotz einvernehmlicher Gespräche Rechtsbeistand zur Seite holte. Nach der Eskalation um Weihnachten vergangenen Jahres nahm der Kunsthändler dann doch wieder die Gespräche auf. „Und die Moral von der Geschicht“: Der diplomatische Weg ist eben doch erfolgreicher als das Konfliktmodell“, so Willem J. Hoogsteder. „Die Einigung mit dem angesehenen niederländischen Kunsthändler ist ein positives Beispiel für die konstruktive Lösung strittiger Fälle der so genannten Beutekunst“, so Prof. Dorgerloh. Die Kulturministerin und Stiftungsratsvorsitzende der SPSG, Prof. Johanna Wanka betonte, dass im offiziellen internationalen Austausch noch vieles im Argen liege und privates Engagement und Integrität um so wichtiger seien. „Durch das ,Gothaer Manifest“, das 2002 verabschiedet wurde, sind wir allerdings dem Thema Restitution und Ethik im europäischen Kontext ein Stück näher gekommen.“ Das Manifest appelliere u.a. an die Politik, Museen und Kunsthandel, die durch staatliche Willkür und kriegsbedingter Unregelmäßigkeiten verlagerten Kunstwerke den angestammten Sammlungen gegen Erstattung des Erwerbs zurück zu geben. Zu welchen Konditionen die „Dame mit Papagei“ nunmehr wieder in den Besitz der Stiftung gelangte, darüber herrschte gestern vor der Presse einvernehmliches Schweigen. Wie dem auch sei: das für die Leidener Feinmalerei charakteristische Gemälde, das sich durch seine Perfektion im Malstil und die genaue stoffliche Wiedergabe auszeichnet, ist nun wieder im Dunstkreis von Kurfürstin Dorothea: in ihrem Schloss Caputh. Dieses barocke architektonische Kleinod war einst mit 300 Gemälden ihrer Wahl gefüllt. Inzwischen sind es nach der Restaurierung Ende der 90er Jahre wieder an die 100, und die „Dame mit Papagei“ gehört seit gestern dazu. In bestes Seitenlicht getaucht, kann es seine feinsinnige Aura publikumswirksam entfalten. „Als ich das Bild das erste Mal in einer Privatsammlung sah, war ich sehr beeindruckt von seiner hohen Qualität. Der Besitzer hatte es 1980 in gutem Glauben auf einer Versteigerung erworben. Es gab keine rechtlichen Ansprüche darauf“, so Willem J. Hoogsteder. Allerdings trug es auf der Rückseite ein Siegel der Berliner Gemäldegalerie. Hoogsteder begann zu recherchieren: im Reichsbüro für Kulturhistorische Dokumentation in Den Haag, wo alle Informationen zur holländischen Malerei gesammelt werden. Da das Bild nicht mehr signiert war, stand nicht einmal der Maler genau fest. Klar sei nur gewesen, dass es ein Van Mieris ist, aber ob vom Vater oder den drei Söhnen, ein Original oder eine Kopie, das musste erst einmal erforscht werden. Als schließlich alle Geheimnisse gelüftet waren, nahm der kunstsinnige „Detektiv“ Kontakt mit Potsdam auf. „Dieses Bild ist eines der wenigen aus unserem Besitz, dessen Weg wir bis 1945 genau verfolgen können. Es war das am höchsten taxierte Gemälde im Nachlass Dorotheas“, so Schlösserdirektor Burkhardt Göres. Dorothea erwarb es 1689, wenige Jahre nach der Entstehung. 1699 ist das Bild im Schloss Oranienburg nachgewiesen, dann nahm es der Soldatenkönig mit auf sein Lieblingsschloss Königs Wusterhausen. Weitere Aufbewahrungsorte waren die Bildergalerie im Berliner Schloss und von 1829 bis 1906 die Berliner Gemäldegalerie. Um 1930 wurde die „Dame mit Papagei“ Bestandteil der im Jagdschloss Grunewald eingerichteten Sammlung niederländischer Malerei, bis es dann verschleppt wurde. „Die Russen, die zuvor das Jagdschloss durchkämmten, vergriffen sich nur an wenigen größeren Gemälden“,weiß Gemäldekustos Gerd Bartoschek zu berichten. Er erzählt auch, dass das Gemälde einst signiert gewesen sei, mit dem Namenszug Willem van Mieris. „Erstmals dokumentiert ist die Signatur 1790.“ „ Aber da die Signatur immer der letzte und damit empfindlichste Pinselstrich ist, verschwand sie nach der Reinigung vielleicht als erstes.“ Auch ein Papieraufkleber, der den Hohenzollern-Besitz markierte, wurde entfernt, aber der von der Berliner Galerie aufgebrachte Wachs-Siegel ist noch immer vorhanden. Wie Bartoschek betonte, dokumentiere das Bild auch den Geschmackswandel im Laufe der Zeiten. Modegeschmack unterworfen Als 1829 die Berliner Gemäldegalerie gegründet wurde, wählte man es unter 350 anderen Werken aus. Es hängte zwischen Rubens und Rembrandt. „Irgendwann verschwand es im Depot, plötzlich hatte man nur noch Augen für Rembrandt. Dann gab man es 1906 im Tausch an die Schlösser-Verwaltung zurück.“ Noch bis vor kurzem wurde es als „Kleinmeister“ abgetan. „Erst seit seiner Neubewertung durch Ausstellungen in Amsterdam und Leiden vor 15 Jahren sind Kabinettstücke dieser Art bei Sammlern wieder so begehrt wie im 17. und 18. Jahrhundert“, so der Kustos. Nicht nur dem Papagei und seiner Dame wird“s gefallen.
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