Kultur: Eine Prinzessin wird 65
„Revue um Mitternacht“ zum Geburtstag von Christel Bodenstein
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„Revue um Mitternacht“ zum Geburtstag von Christel Bodenstein Von Heidi Jäger Das Geld für Jubiläen war schon ausgegeben. Dennoch ließ sich Magda Greßmann von ihrer Idee nicht abhalten: eine Geburtstagsparty für eine Prinzessin. Wenn nicht mit Hilfe des brandenburgischen Filmverbandes, dann eben auf eigene Faust und eigene Rechnung – so ihr unerschütterlicher Wille. Die Regisseurin, Kamerafrau und Fotografin ist seit kurzem selbstständiger Ein-Frau-Betrieb und wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Dennoch wollte sie ihr Projekt durchziehen. Sie suchte anderswo nach Partnern und bekam einen entscheidenden sofort mit ins Boot: das Filmmuseum, das sich seinerseits an die Schauspielerin Christel Bodenstein mit großer Sympathie erinnert. Heute feiert das einstige Sternchen der DEFA seinen 65. Geburtstag. Drei Tage später soll es im trauten Kollegenkreis eine Nachfeier im Filmmuseum geben, zu der sich natürlich auch die Fans dieser einst so beliebten Schauspielerin hinzu gesellen können. Christel Bodenstein, die dem Filmgeschäft schon zu DEFA-Zeiten den Rücken kehrte, lebt heute in Berlin und freute sich über Magda Greßmanns Geburtstags-Idee. „Auf ihren speziellen Wunsch hin, wollten wir eigentlich den ,Kleinen Prinzen’ zeigen, in dem sie die Titelrolle spiele, aber leider bekamen wir dafür nicht die Rechte. Dann habe ich mir die Filmografie durchgeschaut und bin natürlich bei ,Beschreibung eines Sommers’ hängen geblieben, in ihrer Traumrolle an der Seite von Manfred Krug. Doch dieser Film lief bereits im vergangenen Jahr im Filmmuseum.“ Der dritte Gedanke trug schließlich Früchte: Magda Greßmann entschloss sich, einen alten Kino-Hit mit viel Musik auszugraben. 1962 wurde eine ganze Gruppe gestandener Sänger, Tänzer und Schauspieler von der DEFA-Studioleitung für den Film „Revue um Mitternacht“ verpflichtet. „Er war der absolute Klassenschlager. Warum sollte dieser Streifen, wiederum mit dem Traumpaar Bodenstein-Krug in den Hauptrollen, nicht ebenso wie der ,Heiße Sommer’ ein Remake erhalten. Immerhin schrieb auch hier Gerd Natschinski die Musik.“ Nachdem der Film fest stand, „baggerte“ Magda Greßmann die Partygäste an. Zuallererst natürlich Manfred Krug. „Obwohl er sagte, er würde nicht mal zu seinem eigenen Geburtstag gehen, gebe ich die Hoffnung noch nicht auf, ihn nach Potsdam zu holen. Da die Krugs und Bodensteins schon lange befreundet sind, könnte er sich vielleicht doch noch zu einem Sinneswandel hinreißen lassen. Und auch Günter Gollasch und Karl-Ernst Sasse, Leiter des damaligen Rundfunk-Orchesters und des Filmorchesters Babelsberg, sollen die Ehrenrunde schmücken. Mit dazu kommt außerdem die heute in Rahnsdorf lebende Sängerin Julia Axen. Eine Überraschungsparty wird es indes nicht werden: schließlich feilte Magda Greßmann gemeinsam mit der Jubilarin an der Gästeliste. Die Vita der einstigen „Prinzessin“ Christel Bodenstein liest sich indes wie ein Märchen. Entdeckt wurde sie vom Rektor der Filmhochschule Babelsberg höchst persönlich: braun gebrannt am Ostseestrand. Das hübsche Mädchen hatte gerade das Examen an einer Leipziger Ballettschule bestanden. Kurzerhand lud Kurt Maetzig die adrette Sächsin zu Probeaufnahmen nach Babelsberg ein. Dort nahm die Karriere ihren Lauf: allerdings nicht bei Maetzig, sondern zuerst bei Slatan Dudow in „Der Hauptmann von Köpenick“. Dann kam ihre erste Prinzessin-Rolle im „Tapferen Schneiderlein“. „Und weil diese Prinzessin so süß und so trotzig war, durfte sie dann auch im ,Singenden, klingenden Bäumchen’ eine süße, trotzige Prinzessin sein", erinnert sich Filmmuseums-Chefin Bärbel Dalichow in dem Buch „Vor der Kamera" an Christel Bodensteins Werdegang. Sie beschreibt in diesem Porträt auch den kräftigen Altton der Schauspielerin, der mitnichten etwas mit dem silberhellen Prinzessinnenklang im „Singenden, Klingenden Bäumchen“ gemein hatte . Der wurde ihr später ungefragt synchron darüber gelegt. Dennoch: „Dieser unerwartete Altton und ein Hauch von Damenbart verliehen dem Antlitz des braunblonden Sternchens eine herbe Würze.“ Die kleine Tänzerin studierte also an der Babelsberger Filmhochschule und wurde immer weiter fleißig besetzt, wobei das Charakterfach eher die Ausnahme blieb. Sie verdrehte nicht nur dem Publikum, das sie mehrmals zum Filmliebling wählte, den Kopf. Auch privat bezirzte sie die großen Männer des Films. Sie lebte mit Armin Mueller-Stahl zusammen, heiratete Konrad Wolf – 25 Jahre währte ihre Traumkarriere. „Als Konrad Wolf starb, kamen die Angebote nur noch zögerlich, sicher auch aus Berührungsangst. Jedenfalls ging Christel Bodenstein mit Hans-Georg Stengel – unter den Fittichen der Konzert- und Gastspieldirektion – tingeln und nahm für ihre neue Karriere auch Gitarrenunterricht. Dass das zweite Durchstarten zu keiner Bruchlandung führte, zeigt der Preis, den das Duo beim Interpretenwettbewerb in Leipzig gewann. Da Christel Bodenstein aber auch ihre Mutterfreuden nicht missen wollte, wurde sie der Herumreiserei schnell überdrüssig. Sie suchte nach einem festen Platz für ihre Programme und wurde zur Erfinderin der Kleinen Revue, die erst im „Ei“ und später im Friedrichstadtpalast eine Heimstatt bekamen. Dort trat sie nicht nur selber auf, sondern führte auch Regie. Inzwischen genießt Christel Bodenstein das Rentenalter. Ihr Geburtstags-„Ständchen“ wird sicher mit einer „Knallschote“ wie der „Revue um Mitternacht“, das damals von der westlichen Presse als „tanzendes Reagenzglas“ bezeichnet wurde, zu einer unterhaltsamen Reise in die Vergangenheit. Magda Greßmann wird jedenfalls viel Mühe darauf verwenden, dass die „Prinzessin“ mit 65 nun nicht mehr trotzig schmollen muss.
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