Kultur: Eintritt frei!
Stadt für eine Nacht: Am 9./10. Juli verwandelt sich die Schiffbauergasse in einen Erlebniskessel
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So entspannt und heiter sieht man den Intendanten selten. Bass erstaunt hält Tobias Wellemeyer das buntbebilderte Heftchen mit den fast 80 geplanten Programmpunkten von „Stadt für eine Nacht“ in den Händen. Das Kulturamt ließ es für das große Fest am 9./10. Juli in der Schiffbauergasse ganz von sich aus drucken. Und auch dass der Oberbürgermeister nun neben ihm sitzt bei dieser Pressekonferenz am gestrigen Donnerstag im Theaterfoyer, lässt ihn lächeln. Jann Jakobs lobt dann auch in höchsten Tönen den Startschuss dieser Kultur-Erlebnisnacht im vergangenen September, der die kühnsten Erwartungen übertroffen habe.
15 000 Besucher fanden sich ein, um das umfängliche Programm der Kulturanrainer und Partner aus Wissenschaft, Gewerbe und Gastronomie zu genießen. Diesmal soll die 20 000-Marke gerissen werden, verkündet Jakobs ganz sportiv. Wellemeyer zeigt sich bei diesem Zahlenpoker eher zurückhaltend, betont vielmehr, dass das Naive, das Spontane vom vergangenen Veranstaltungsmarathon auch jetzt beibehalten werden sollte. Er wisse noch gut, wie sehr sie damals gesucht und gestritten hätten, was die Schiffbauergasse werden könnte. „Und wir erfanden eine künstlerische Installation, um zu zeigen, was an Kreativität und Verschiedenheit in uns steckt.“ Nichts war militärisch durchorganisiert, niemand wusste, ob es aufgeht. Jens-Uwe Sprengel vom T-Werk erinnert sich an das bange Warten. Würde sich das Areal tatsächlich füllen? Die Leute strömten herbei, niemand zog ein schiefes Gesicht, wenn er mal nicht in eine Veranstaltung hineinkam. „Es war tatsächlich historisch, was zwischen uns passierte. Aus dem Miteinander der Nacht haben alle etwas gewonnen. Auch persönlich ist eine ganz andere Nähe entstanden“, so Sprengel. Inzwischen passiere es auch an ganz normalen Abenden, dass ihre Kulturangenbote zusammenfinden. An der Vernetzungsidee wird offensichtlich von allen Seiten der Schiffbauergasse engagiert geknüpft.
Wie bei der ersten „Stadt für eine Nacht“ wird es auch 2011 zeltähnliche Hütten geben, die sich zu einer futuristisch anmutenden Bebauung um die große Freilichtbühne gruppieren und mit den Ideen von 50 Partnern gefüllt werden. „Eine Stadt aus Licht und nicht aus Festigkeit gebaut, die zeigt, dass wir auf der Suche sind“, wie Wellemeyer sagt. Auch an der anfangs befremdlich anmutenden und doch so gut funktionierenden Nachbarschaft von Friseuse und Schriftsteller, Gastronom und Galerist wird festgehalten. „Es sind damals Kontakte entstanden, die über das ganze Jahr hielten. Und in diesem Jahr konnten gar nicht alle Bewerber berücksichtigt werden“, so Wellemeyer.
Da zeigen behinderte Menschen, wie sie Stühle flechten, Forscher des Ernährungsinstituts erklären, was an Schokolade gesund ist und mit dem Leibniz-Institut für Astrophysik kann man Sterne vom Himmel holen. Yoga und Tanzschritte für Anfänger gibt es. Kultur sowieso: eine geballte Ladung in allen Häusern. Alles ohne Eintritt. Das Oh-Ton-Festival der Fachhochschule lädt mit seinen Radio-Features in die „fabrik“ und auf den Tiefen See ein, der Kunstraum eröffnet die Ausstellung „Zelluloid“ mit übermalten Filmfotos von Steffen Mühle und Oxymoron tanzt mit Schauspielern des HOT. Im T-Werk erwecken grandiose Mimen aus Madrid ein riesiges Uhrwerk zum Leben, Fluxus feiert drei Jahre. Und im Hans Otto Theater wird neben den Non-Stop-Aufführungen eine Ritterburg ins Leben gerufen. „Es gibt Parallelangebote für alle Generationen“, verspricht Wellemeyer, der Impulsgeber dieser Langen Nacht. Handzettel sowie eine Standortkarte geben Orientierung bei den überbordenden Angeboten zwischen 14 und 14 Uhr.
„Wir haben einfach angefangen zu machen. Und diese Initiative erwies sich als förderungswürdig“, betont Tobias Wellemeyer. Aus den 30 000 Euro im vergangenen Jahr wurden 80 000: Zuschüsse aus dem Marketingtopf für die Belebung der Schiffbauergasse. Wenn ab 1. Januar 2012 nach langem Prozedere dort ein Standortmanager die Fäden in die Hand nimmt, gehört die „Stadt für eine Nacht“ zu seinem Startkapital. „Der Standort muss Aufenthaltsqualität bekommen“, sagt die Kulturfachbereichsleiterin Birgit-Katherine Seemann. Dass die Kulturarbeit in den Häusern so gut funktioniere, sei eine Erfolgsstory, „jetzt muss man sie mit dem passenden Freizeit-Charakter zusammenbringen.“ So wie bei „Stadt für eine Nacht“.
„Und die wird immer größer werden, bis die ganze Schiffbauergasse voll ist und irgendwann wird der Punkt kommen, an dem 24 Stunden nicht mehr reichen“, prophezeit ein geradezu schwärmerischer Intendant.
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