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Kultur: Eiserner Vorhang und Coca-Cola
Filmklassiker vorgestellt: „Eins, zwei, drei“ heute im Filmmuseum / Von Bernd Schöneberg
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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum Potsdam gehegt und gepflegt. Nicht nur Technik, auch vielfältige Dokumente, Kostüme und Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Zur Aufführung kommen ebenso cineastische Kostbarkeiten. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellt Bernd Schöneberg, Mitarbeiter des Filmmuseums Potsdam, heute den Film „Eins, zwei, drei“ vor, der heute um 18 Uhr im Filmmuseum im Rahmen der Sommerfilmreihe „Lachen in Sommernächten“ zu sehen ist.
Als Billy Wilder 1945 in seine frühere Wahlheimat Berlin zurückkehrt, sagt er, die Stadt sehe aus wie das Weltende. Drei Jahre später dreht er mit Marlene Dietrich „Eine auswärtige Affäre“ (USA 1948) inmitten der Ruinen von Berlin. 1961 kehrt der Oscar-prämierte Regisseur nach Berlin zurück, um seine Komödie „Eins, zwei, drei“ über den Kalten Krieg zu drehen. Berlin ist bisher nur ideologisch geteilt, kommunistisches und kapitalistisches System prallen aufeinander. Die vom Wirtschaftswunder rasch verdrängte NS-Vergangenheit holt die amerikanisierte, westdeutsche Gesellschaft ein, im Osten „blüht“ der Sozialismus.
Der Film erzählt über den Direktor der Coca-Cola-Filiale in West-Berlin, MacNamara, ein Karrieretyp mit großen Visionen. Er möchte, wie er zu sagen pflegt, mit Coca-Cola das vollbringen, woran Napoleon und Hitler scheiterten, nämlich in Moskau einzumarschieren. Doch seine Pläne werden gebremst, denn der Auftrag, die Tochter seines amerikanischen Chefs, Scarlett Hazeltine, zu behüten, entpuppt sich als Fulltimejob. Die Kleine entwischt über die Grenze nach Ostberlin und kehrt prompt mit dem linientreuen Jungkommunisten Otto Ludwig Piffl zurück – nunmehr als Frau Piffl. Schleunigst muss MacNamara aus Piffl einen waschechten Kapitalisten formen, bevor Konzernchef Hazeltine in Berlin eintrifft.
Wilder inszeniert seine Komödie angelehnt an das gleichnamige Stück des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár. Was heute einfach komisch ist, war 1961 politisch brisant. Während der Dreharbeiten schließt die DDR die Sektorengrenze, im August beginnt der Mauerbau. Berlin wird geteilt - und „Eins, zwei, drei“ für den Zuschauer von damals ein bitter ernster Film. Zur Uraufführung im Dezember 1961 heißt es in der Berliner Zeitung: „Was uns das Herz zerreißt, das findet Billy Wilder komisch.“ Der Film floppt in der BRD und den USA. 1974 sagt Wilder: „Ich dachte einfach, ich müsste einen Film in Deutschland drehen. Außerdem finde ich Coca-Cola nun mal komisch.“ Hinter dem Understatement steckte wohl mehr. Schließlich hatte er sich bewusst für Berlin als Drehort entschieden, das Zentrum des politischen Schlachtfeldes jener Tage.
Im Schatten der Ereignisse verkannt, gelangt der Film 1985 erneut in die Kinos – diesmal erfolgreich. Nun erst war die Zeit reif für den Wortwitz Wilders, der alle am Kalten Krieg Beteiligten stereotyp überzeichnet: Die Deutschen sind stocksteif und gehorsam, die Russen schwerfällig und umständlich, die Amerikaner smart und geldgeil. Temporeich reiht Wilder einen Gag an den anderen. „Russland besucht man nicht, Russland verlässt man“, schreit MacNamara, als Scarlett zusammen mit Piffl nach Moskau gehen will.
Für manch einen Wilder-Fan gilt „Eins, zwei, drei“ als der beste Film des Regisseurs mit dem außergewöhnlichen Gespür für Timing. Die rasante Komödie – noch während der Produktion von der Geschichte eingeholt – ist heute Kult und Coca-Cola trinkt man längst auch in Russland.
„Eins. zwei, drei“, heute 18 Uhr, morgen 20 Uhr und Freitag, dem 12. August, um 18 Uhr, im Filmmuseum in der Breiten Straße 1a
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