Kultur: Emanzipiert
Die Kunstallee präsentiert sich erstmals solitär: drei Tage und als Open-Air-Festival vom 19. bis 21. August am Treffpunkt Freizeit
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Die Kunstallee schlägt neue Wurzeln. War sie bislang eher eine „Unterpflanzung“ der Erlebnisnacht, will sie nun als Solitär für sich allein einnehmen. Und das drei Tage lang. Vom 19. bis 21. August präsentiert sie sich als Open-Air-Kunstfestival am Treffpunkt Freizeit mit Blick auf den Heiligen See. Eine eigens angelegte Beachlandschaft, in deren Sand später Kinder buddeln können, soll mit Liegestühlen, Sonnenschirmen, Cocktailbar und Clubmusik in das richtige Kunstgenuss-Feeling versetzen.
Erstmals gibt es eine Jury, die aus den 263 Bewerbern 50 auswählte: Auch um der Kritik an den drei vorangegangenen „Alleen“ zu begegnen, die oft mit einer wilden Mischung aus Kunst und Kunsthandwerk aufwartete. Jetzt soll Qualität das Primat haben und die Auseinandersetzung mit politischen und sozialen Themen, wie sie beispielsweise die Berliner Malerin Jennifer Baumeister mit ihren Bildern über Kindersoldaten in Afrika zeigt oder der Schweizer Künstler Fritz Trochsler in seinen kraftvollen Popart-Werken. Der politische Anspruch sei aber kein Dogma gewesen. „Es gibt auch ganz andere Themen, wie die Energie von Toten oder folkloristisch Anmutendes von südafrikanischen Künstlern“, so der Kunstwissenschaftler Timo Füchsel, der neben Vivianne Schnurbusch von den Potsdamer Kunstgenossen, Gastronom Ralf Hildebrandt von der „Hohlen Birne“ und Galerist Albert Baake zur Jury gehört. Baake, der den Katalog finanzierte, bietet dem Preisträger der Kunstallee, der von den Besuchern gekürt werden soll, eine vierwöchige Ausstellung in seinen Räumen in der Mittelstraße 30: neben Arbeiten von Frank Zander, Udo Lindenberg und erstmals auch von Helge Schneider. Zu sehen ab 10. September.
Die Konzentration auf eine reine Kunstausstellung sei zugleich das Hauptproblem der Neuausrichtung gewesen, räumte der Bildhauer Steffen Brünner am gestrigen Mittwoch bei einem Pressegespräch ein. „Es braucht qualifizierte Künstler, die in der Tiefe ihres Schaffens stecken und Kunst nicht nur als Hobby betrachten.“ Um so mehr ist er von dem Ergebnis der Einreichungen überrascht gewesen. Auch die Besucherresonanz sei noch unberechenbar. Ganz bewusst entschieden sich die Organisatoren – die sich erstmals mit den Potsdamer Kunstgenossen zusammentaten – für das Wochenende um die touristenüberschwemmte Schlössernacht, deren Eintrittspreis nur von einem bestimmten Klientel bezahlbar sei. „Die Kunstallee gibt es gratis als Non-Profit-Ausstellung von Künstlern für Künstler. Wir wollen Kunst vor allem unter Leute bringen, die noch nicht so vertraut mit ihr sind und ganz ungezwungen Fragen beantworten, zum Beispiel welche Gedanken Künstler so umtreiben oder wovon sie leben“, sagte Steffen Brünner. Am neuen Ort sei dafür Zeit und Raum. „Für eine Nacht war der Riesenaufwand wenig effektiv“, betonte er. Auch unter den 50 Künstlern, oft mit ausländischen Wurzeln, wird es sicher rege Gespräche geben. Zum Teil zelten sie auf dem Gelände. Mit 190 Euro Standgebühr sei die Kunstallee für jeden erschwinglich, auch für junge Künstler, die sich von hier aus vernetzen können, betonten die Organisatoren. Zudem sollen Kunstpatenschaften zwischen Betrieben und Privatleuten sowie bedürftigen Künstlern angezettelt werden. Im marokkanischen Königszelt, ausgelegt mit Orientteppichen vom Filmpark, dürfte dafür das richtige Klima sein.
Auf der Bühne treffen sich derweil afrikanische Trommler, jawanesische Folklore-Spieler, Klezmermusiker und Schamanensänger, um mit ihrer Weltmusik die Bilder, Skulpturen und Fotografien tonmalerisch einzubetten.
Eine Arbeit macht bereits vor dem Festival die Runde: ein Riesenkopf aus Metall des Potsdamer Bildhauers Thomas Otto. Er wird als Werbeträger der „Allee“ durch die Stadt wandern, die sich finanziell nicht an dem Festival beteiligt. Nach einem halben Jahr Vorbereitung wollen sie es nun wissen: die Kunst-(Allee)-Genossen, ob sich ihr „Projekt von unten“ emanzipiert. Schirmherrin ist Gesine Schwan, die Timo Füchsel aus seiner Studienzeit in Frankfurt(Oder) kennt und die er sofort gewinnen konnte, weil sich auf dem Festival Kunst und Zeitkritik verzahnen.
Der Katalog ist kostenlos im PNN-Shop im Karstadt erhältlich. Weiteres unter www.kunstallee-potsdam.de
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