Kultur: Endlich reden
Ulrike Poppe zu Gast im Salon e.V.
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Diese Vergangenheit will nicht ruhen. Soll auch nicht ruhen, denn zu stark wühlt sie noch in den Menschen. Das war deutlich zu spüren am Dienstagabend, als sich die Potsdamer Kulturinitiative Salon e.V. um Maximilian Dreier im „massimo“ traf, um mit Ulrike Poppe zu diskutieren. Die Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur war gekommen, um sich den Fragen zu stellen, wie eine Vergangenheit von 20 Jahren, die in Brandenburg bewusst vernachlässigt wurde, nun aufgearbeitet werden kann.
Der Zeitpunkt ist günstig, wie Ulrike Poppe sagte. Denn die vergangenen Monate mit den ständigen Stasi-Enthüllungen in der neuen Landesregierung haben gezeigt, wie aktuell dieses Thema doch ist. Ihre Hauptaufgabe sieht sie in der Vermittlung zwischen Opfern und Tätern, denn nur durch eine solche Auseinandersetzung und dem Finden einer „gemeinsamen Wahrheit“ sei ein Verzeihen, eine Versöhnung möglich. Wer Ulrike Poppe, die als Bürgerrechtlerin in der DDR ihre eigenen Erfahrungen mit der Willkür der Regierung machen musste, in der über zweistündigen Diskussion erlebte, konnte eine Frau beobachten, die einen stillen Pragmatismus, diplomatisches Geschick bei klaren Worten und eine Beharrlichkeit ausstrahlt, die fast an Sturheit im positiven Sinne grenzt. Voraussetzungen, die für die Mammutaufgabe, die von Ulrike Poppe in den kommenden sechs Jahren in Brandenburg angeschoben werden soll, unabdingbar sind.
Ein Misstrauen gegenüber einer staatlich bestellten Beauftragten war unter den 15 Teilnehmern trotzdem spürbar. Zu oft war in der Vergangenheit der von politischer Seite erklärte Wille zur Aufklärung nur Maskerade für eine Instrumentalisierung. Aber schon Ulrike Poppes Präsenz machte deutlich, dass eine solche Instrumentalisierung mit ihr nicht zu haben ist. Es entspann sich ein lebhaftes Hin und Her, in dem auch persönliche Erfahrungen mit dem Unrechtsstaat DDR preisgegeben wurden. Eine überraschende Offenheit die zeigte, wie wichtig und notwendig es ist, über diese Vergangenheit zu reden. Aber nicht in Pauschalisierungen oder unnachgiebigen Schuldzuweisungen, wie die kurze Diskussion zwischen der Potsdamer Galeristin Friederike Sehmsdorf und der Potsdamer Bürgerrechtlerin Carola Stabe über die Einschätzung der Verdienste und Versäumnisse des Ex-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe zeigte.
Wie wichtig das Reden und auch Zuhören ist, wurde an diesem Abend immer deutlicher. Nur so sei möglicherweise ein Mentalitätswandel in Brandenburg zu erreichen, sagte Ulrike Poppe. Denn nichts sei fataler, auch in der Signalwirkung auf die Jugend, wenn Stasispitzel und andere Täter des Unrechtsstaates DDR heute in der Landesregierung sitzen oder das Amt des Oberbürgermeisters anstreben, weil sie mit ihrer „Das war doch alles nicht so schlimm“-Haltung kaum auf Widerspruch stoßen würden. Dirk Becker
Dirk Becker
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