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Na, wer will denn da gleich hysterisch werden! Sganarelle (Philipp Mauritz, M.) hat große Mühe, den liebestollen Überschwang der Jugend in Isabelle (Elzemarieke de Vos) und Valère (René Schwittay) zu bändigen.

©  HL Böhme

Kultur: Endreim, erlöse uns!

Philippe Bessons „Die Schule der Ehemänner“ feiert Sprachlust, Spielwut – und sich selbst

Stand:

Seltsam, dass bestimmte Stücke nie so richtig aus der Mode kommen, obwohl sie längst aus der Mode sind. Molières „Die Schule der Ehemänner“ zählt ohne Zweifel dazu. Es gehört nicht gerade zu den am häufigsten gespielten Stücken des französischen Klassikers. Aber ab und an, vor allem wenn man nach leichten Sommerstücken sucht, wird es wieder auf die Bühne geholt. Abgesehen von eher allgemeinen Themen wie Eifersucht, Sehnsucht und Gefallsucht, brennt das, worum es hier geht, nicht gerade vor Aktualität. Es ist die Frage, wie die Ehefrau vom klugen Mann besser zu erziehen sei: Durch Einsperren und Von-Der-Welt-Fernhalten, um sie nicht deren verderblichen Einflüssen auszusetzen? So hält das der verknöcherte, nicht mehr junge Sganarelle mit seinem Mündel Isabelle. Oder doch lieber, vorsichtshalber, die Leine lockerlassen und ihr die kleinen Freiheiten (Shoppen, Party, Schminke) gönnen? Das wäre dann die Variante von Sganarelles legerem Bruder Ariste, in deren Obhut sich die lebenslustige Leonore befindet.

Nun ja. Es mag noch immer Menschen geben, die sich tatsächlich darüber den Kopf zerbrechen. Gerade die jedoch werden an „Die Schule der Ehemänner“ in der Inszenierung von Philippe Besson wenig Freude haben. Fast alle Anderen aber, und das ist das eigentlich Seltsame in Sachen Molière, werden sich angesichts dieser sommerleichten zwei Stunden vor Kichern immer wieder an den im Gasometer aufgestellten Schalensitzen festhalten müssen. Voraussetzung ist freilich jene Lust an Sprachwitz und Spielwut, ohne die Molière generell und Philippe Bessons „Schule der Ehemänner“ speziell nicht zu genießen ist. Wer dann noch eine gewisse Affinität in Richtung Pop- und Rockmusik mitbringt, der kann sich in die schrammeligen und immer wieder erschütternd komischen weil teils unerschrocken blamablen Verse der neuen Textfassung von Katharina Schlender getrost fallen lassen. Wie jedes handfeste Sommertheater (und jeder solide Popsong) feiert „Die Schule der Ehemänner“ vor allem sich selbst: den Moment des Spiels, das Glück dabei sein zu dürfen und generell am Leben.

Die Bühne von Henrike Engel nimmt den Popgedanken auf und ergänzt ihn um eine Prise ironisierende Medienkritik. Im Gasometer ist eine mit Glühlämpchen umrandete TV-Bühne aufgebaut. Zum Publikum hin ein Treppchen, im Hintergrund fünf übermannshohe Figuren aus Pappe, wie man sie auf Flughafentoiletten findet: vier Männersymbole (kopflos), in der Mitte eine Frauenfigur (mit Kopf). Ihr zu Füßen ist eine Combo aus Schlagzeug und zwei Keyboardern platziert (Bela Brauckmann, Andreas Dziuk, Christian Deichstetter). Und hoch oben ist zu lesen, in welcher Show wir hier gelandet sind: „Schule für Männer“. Über diese Gala-Bühne schwebt Wolfgang Voglers Ariste zu Beginn als versierter Medienprofi, begrüßt „Ehemänner, NochNichtEhemänner und NichtMehrEhemänner“ sowie „EinfachNurMänner“ und stimmt unter verstärkender Begleitung eines Backgroundchores „Stand by your man“ an.

Weit kommen die bestens aufgelegten Sänger nicht, denn aus dem Publikum nähert sich in grauem griesgrämig Sganarelle (herrlich störrisch bis zum bitteren Ende: Philipp Mauritz), ein brabbelnder Störenfried, der nicht Ruhe gibt bis er den Stecker gezogen hat und Kleiderständer mit Barockkostümen in Sixties-Glitzer-Farben aufgefahren werden. Ariste fügt sich und rattert los: „Und sag mir später nicht, ich hätt es so gewollt / Ich wollte meine Show, du hast sie umgepolt“. Etwas umständlich, dieses TV-Entrée, aber es führt den Rhythmus der Inszenierung ein, und auch ihr Lieblingsthema: die Verstellung und die Zur-Schau-Stellung von Gefühlen. Da ist man schon nicht mehr nur beim Fernsehen sondern wieder ganz bei Molière. Denn auch darum geht es in diesem Kostümspiel im Showbiz: die Kunst des Lügens.

In dieser übt sich vor allem Isabelle (Elzemarieke de Vos). Sie muss graue Kleider und plumpe Schuhe tragen und ist so unverkennbar das Mündel des Griesgrams Sganarelle, dem Vertreter der Wegsperr-Theorie, was den Umgang mit Frauen angeht. Sganarelle ist der jungen Isabelle in altherrennärrisch vollkommener Weise ergeben und gedenkt, sie zu ihrem Glück – der Ehe mit ihm – zu zwingen. Zum Glück gibt es da jedoch Valère (René Schwittay), ein glühend rotbäckiger und charmant ungelenker Verehrer Isabelles, der sich vor Liebesschwindel so weit über die Rampe biegt, dass sein Diener (Matthias Hörnke) Mühe hat, ihn am Rockzipfel zu festhalten. Dieser Valère röhrt zwar „It’s a man’s world“, als gehöre besagte Welt ihm, ist aber sobald er das Mikro wieder in seinen Rock genestelt hat unter seiner blonden Wuschelperücke, mit den lippglossglänzenden Lippen eher ein zarter Junge als ein harter Kerl. Tja, so ist das mit Ideal und Wirklichkeit – ein Gegensatz, den Philippe Besson bei allen Charakteren mit gesunder Schadenfreude herausstellt.

Der einzige Weg zu Valère führt über den hofhundwachen Sganarelle und Isabelle nutzt ihn – indem sie Sganarelle zum Überbringer ihrer codierten Nachrichten macht. Sganarelle fügt sich mehr als willig, denn er glaubt so den Verehrer loswerden zu können – tatsächlich wird er zum Kuppler wider Willen. Je sicherer er sich seiner Isabelle wird, desto größer wird deren Lust auf Valère: „Wo war er vorher bloß? – mein Appetit“. Von Liebe redet bei Katharina Schlender übrigens keiner, dafür alle von allerhand holprigen Synonymen: „Appetit“ (Isabelle), „Helligkeit“ (Sganarelle), „Lebenselexier“ (Valère). Zu kurzen Ständchen treten die, die sich für Liebende halten, immer wieder an die Rampe, üben sich in rührendsten Popstarhaltungen (Elzemarieke de Vos und René Schwittay) oder im unschlagbar schmierigen Schlagergestus (Philipp Mauritz), dass es eine Freude ist – um dann in die unvollkommenen, lächerlichen Ichs zurückzufallen, die in hundertfacher Vergrößerung Facetten unserer Selbst sind.

Die zauberhaft unbeholfenen Reime von Katharina Schlender werden gerade bei René Schwittay zu einem Parforceritt, der allein im Hören gewissermaßen mitgaloppieren lässt (Stolperer inbegriffen): „Doch ab und an lässt Neugier / sich nicht bremsen. So ist’s jedenfalls bei mir.“ Solcherart Verse peitschen die Handlung bis zum so vorhersehbaren wie vergnüglichen Finale voran und eine kleine Weile meint man auch nach Stückende, die Widrigkeiten dieser Welt ja vielleicht doch in Wackelversen bezwingen zu können. So zumindest hält es der gehörnte Sganarelle, der zu guter Letzt nur feststellen kann: „Die Menschheit ist verdammt! Die Frauen sind ihr Fluch!“ Auch hier bleibt der erlösende Endreim nicht aus. Er ist wenig versöhnlich und endet mit „Eunuch“. Sehr gelacht und applaudiert wurde trotzdem.

Wieder am 21./22./23./24./29./30. Juni und am 1. Juli, jeweils 21 Uhr

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