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Hoch die Fahne, auf zum Sieg. Ganz so erfolgreich wie es der Maler Carl Röchling auf dem Gemälde „Friedrich II. in der Schlacht bei Zorndorf 1758“ darstellte, war der Eigensinn des Königs nicht immer.

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Kultur: „Er brauchte eine gehörige Portion Eigensinn“

Der Historiker und Ausstellungskurator Jürgen Luh über den Eigensinn Friedrichs II.

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Es ist das Jahr des Königs. Zum 300. Jubiläum seiner Geburt ist Friedrich II. in Potsdam und Brandenburg das prägende Thema. Ob Konzert, Buchvorstellung, Theater oder Ausstellung, am berühmten Preußenkönig kommt man nur schwer vorbei. In den kommenden Wochen sollen an dieser Stelle die unterschiedlichen Facetten des Königs beleuchet werden, der unter anderem auch Musiker, Philosoph, Kunstliebhaber und Dichter war.

Herr Luh, wie viel Eigensinn braucht ein König?

Das kommt ganz auf seine Ziele an. Sind sie groß und nicht leicht, sondern nur gegen Widerstand zu erreichen, braucht er eine Menge Eigensinn - allein, um sie im Auge zu behalten. Friedrich wollte ruhmreich und ein Großer werden, die Welthändel, wie Goethe gesagt hat, nach seinem Sinn zwingen. Dazu brauchte er eine gehörige Portion Eigensinn. Das hat er in seinen Schriften auch selbst gesagt.

Trotzdem lässt das öffentliche und oft immer noch verklärende Bild von Friedrich II. bis heute wenig Platz für Eigensinn bei diesem Herrscher. Sie sprechen aber sogar davon, dass er ein eigensüchtiger Mensch war. Woran zeigte sich das?

Am besten daran, dass er immer im Mittelpunkt stehen wollte, ja musste. Das offenbart sich etwa in dem Briefwechsel mit seiner Schwester Wilhelmine, der, zieht man die konventionellen Floskeln der Briefkultur des 18. Jahrhunderts ab, ganz auf ihn ausgerichtet war. Er wusste, seit er König war, immer alles besser als die ältere Schwester, selbst die Dinge, die sie erlebt hatte und er kaum recht aus Büchern kannte. Ein Beispiel ist Wilhelmines Italienreise 1755. In seinen Brifen an die Schwester erklärt er ihr, was sie gerade sieht, geht nicht ein einziges Mal auf die Berichte Wilhelmines ein oder ihre in Italien gemachten Erfahrungen.

War es vielleicht auch sein Standesbewusstsein, das diesen Eigensinn förderte?

Standesbewusstsein kann den Eigensinn fördern und tut es meist auch. Friedrich besaß ein hohes Standesbewusstsein. Er hatte das von seiner Mutter vermittelt bekommen, das heißt, sein Rang und seine Stellung in der Gesellschaft waren ihm sehr wichtig. Er wollte nie ein Gleicher unter Gleichen sein, auch wenn er solches gegenüber seinen Vertrauten ab und zu behauptete. Als König und Ranghöchster im Staat niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, das beförderte den Eigensinn.

Etwas salopp gefragt: War Friedrich beratungsresistent?

Jein. Öffentlich ließ er sich nicht beraten. Da folgte er, machmal zu seinem Unglück oder dem anderer, Ratschlägen nicht, und seien sie noch so begründet gewesen. Während des Siebenjährigen Krieges sind Hochkirch und Maxen dafür gute Beispiele. Weil Friedrich nicht auf seine Generale hörte, verlor er zwei Schlachten und viele seiner Soldaten ihr Leben. Dann aber nahm er Ratschläge, besser vielleicht Hinweise, auch auf. So etwa den Hinweis Wilhelmines auf die Kunst des Malers Pompeo Batoni. Er tat das nicht gleich, aber nach einiger Zeit versuchte er, Batoni als Nachfolger von Pesne als Hofmaler zu gewinnen.

Ist, was Eigensinn und Eigensucht betrifft Friedrich II. eine Ausnahme unter Herrscherpersönlichkeiten oder doch nur einer von vielen?

Er ist keine Ausnahme. Andere waren auch eigensinnig, auch und sehr Katharina II. von Russland. Wie gesagt, in Verfolgung bestimmter Ziele musste man eigensinnig sein.

Hatte dieser Eigensinn auch etwas Zerstörendes? Schließlich war Friedrich II. nicht wirklich um eine Nachfolge bemüht, ging es ihm nicht um die Zukunft Preußens nach seinem Tod.

Da es Friedrich meist um sich selbst, seinen Ruhm und seine Größe ging, konnte seine Eigensucht auch etwas Zerstörerisches haben. Sie deuten es mit Ihrer Frage an, seine Thronfolger hat er wenig schön behandelt. Sowohl seinen Bruder August Wilhelm als auch dessen Sohn Friedrich Wilhelm hat Friedrich bewusst öffentlich gedemütigt, damit er als der große Herrscher in Erinnerung bleibe, gleich wer ihm nachfolge. Beide haben darunter gelitten.

War Friedrich II. unter diesen Umständen, bei diesem Eigensinn überhaupt zu Freundschaften fähig?

Schwerlich. Anders als er vielleicht wirlich einmal wollte, konnte er eben nicht Gleicher unter Gleichen und damit ein echter Freund sein. Stand und Rolle des Königs und auch sein Ziel erlaubten ihm das nicht. Obwohl er im Gespräch sehr gewinnend sein konnte, hat er sich mit Menschen schwergetan.

Gibt es auch psychologische Erklärungen für diesen Eigensinn?

Die sind, glaube ich, nicht nötig. Um zu werden, was er sein wollte, ruhmreich und groß, musste er eben eigensinnig und selbstsüchtig auftreten. Das war und ist menschlich – und konnte nicht ausbleiben.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Der Große. Friedrich II. von Preußen“ von Jürgen Luh ist im Siedler Verlag München erschienen und kostet 19,99 Euro

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