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Von Heidi Jäger: Erinnern ohne Nostalgie

Zum 75. Geburtstag Roland Oehmes zeigt das Filmmuseum „Farssmann oder zu Fuß in die Sackgasse“

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Kaputte Fassaden, lange Schlangen vor dem Bäcker und ein Michael Gwisdeck mit noch vollem Haar. Schon in der ersten Szene wird klar: Wir befinden uns im Gestern, in einem Land vor unserer Zeit. Die Auflösung bahnt sich indes leise an: Das Honecker-Bildnis weicht dem Kopf Gorbatschows, das einst verbuddelte Reiterstandbild des Preußenkönigs kommt wieder ans Tageslicht und der Militärplatz verwandelt sich in ein Eldorado für Golfspieler. „Farssmann oder zu Fuß in die Sackgasse“ ist der letzte DEFA-Film von Roland Oehme und zugleich sein erster in der Bundesrepublik, entstanden im Jahr 1991.

Der Potsdamer Regisseur wählte diesen „Oldie“, der wie alle Oehmes vor allem heitere Töne anschlägt, um sich im Filmmuseum zu seinem 75. Geburtstag, den er am gestrigen Mittwoch feierte, selbst noch einmal als Komödiant aber auch als Sturkopf auszuweisen. Wohl wissend, dass so gut wie keiner diesen Film von ihm kennt. Denn als er in die Kinos kam, hatte die Zeit ihn bereits überrollt. Gerade mal acht Tage lief er in der Berliner „Parkaue“, wurde nie im Fernsehen gezeigt und die Kritiker waren auch nicht gerade sanft, als sie über diese späte „Geburt“ herfielen. Dabei hatte Roland Oehme sein Projekt schon fünf Jahre vorher im Kopf. „Doch das Studio lehnte ab. Dieser Episodenfilm aus verschiedenen Erzählungen Hermann Kants mit dem Karriere-Verweigerer Farssmann als Titelrolle war der Leitung zu brisant. Ich war so stur und vielleicht dumm genug, dennoch an diesem Stoff festzuhalten, auch wenn nach der Wende alles verschwunden war, was in ihm aufgezeichnet war.“ Wie der komische Blick auf die Mangelwirtschaft, in der Tierparkballkarten gegen Telefonanschluss, Freitagstermine zum Heiraten gegen das chinesische Erotikbuch „Kin Ping Meh“ und das wiederum gegen heiße Semmeln getauscht wurden. „Und auch der komische Blick auf die Stasi, die ich fast kolportagehaft vorgeführt habe, interessierte nicht mehr. Das war ein halbes Jahr, bevor die Stasi-Zentrale gestürmt wurde.“

Er sei hin- und hergerissen gewesen, ob dieser Film zu seiner jetzigen öffentlichen Geburtagsehrung gezeigt werden sollte. „Schließlich wählt man zu solch einem Anlass meistens Filme seiner Vorbilder.“ Doch statt Chaplin oder Truffaut gibt sich nun Oehme mit seinem „Farssmann“ selbst die Ehre. „ Ich bin enorm gespannt auf diesen Abend. Vielleicht erscheint der Film heute in einem neuen Licht, vielleicht amüsieren sich die Leute im Erinnern ohne Nostalgie“, sagt Oehme.

Er sei damals sehr stolz auf die Besetzung gewesen: mit Käthe Reichel und Angelika Waller und vor allem mit Michael Gwisdeck, „um den ich ganz schön buhlen musste.“ Auch das Einverständnis von Hermann Kant musste Oehme bekommen, „obwohl der ein gebranntes Kind der DEFA war und auch zu einem Mann wie mir, der nur im Lustspiel arbeitete, ein zwiespältiges Verhältnis hatte. Zum Glück war mein Hausautor mit ihm befreundet.“ Mit Rudi Strahl hat er dann auch Kants Geschichten aus „Der dritte Nagel“ und „Bronzezeit“ filmisch zusammengeführt. „Kant hat weder etwas für gut noch für schlecht befunden. Vielleicht war er einfach nur klüger als ich, und wusste, dass der Film zu spät kommt.“ Für Oehme aber sei es wichtig gewesen, den Sprachduktus von Kant zu erhalten, das schon angelegte Hintersinnige und Komödiantische mit der Fantasie der Schauspieler zu füllen und zu brechen. Da ist es durchaus sehenswert, was ein Michael Gwisdeck aus einem trockenen Buchhalter so herausholt, der irgendwo im weitverzweigten untergründigen Netz des Tauschhandels verloren geht.

Der Spaß am Arbeiten ist Oehme auch nach der Wende nicht vergangen, auch wenn er sich vom Film zurückgezogen hat und nun ausschließlich dem Theater dient. Wie viele seiner Kollegen musste der Regisseur nach dem Aus der DEFA-Studios ab 1991 Klinken putzen und fühlte sich gedemütigt. „Ein würdeloser Vorgang, den ich von mir aus abbrach.“ Dabei hatten seine Filme beim Publikum immensen Erfolg, keiner hatte weniger als Hunderttausend Besucher, „Der Mann, der nach der Oma kam“, wurde sogar von 3,4 Millionen Zuschauern im Kino gesehen.

Fürs Theater backt man natürlich kleinere Brötchen. Aber auch die Störtebecker-Festspiele in Ralswiek auf der einzigartigen Naturbühne Rügens, die Oehme reanimierte und zehn Jahre in Szene setzte, wurden ein Publikumsrenner. Inzwischen bestimmt Roland Oehme das sommerliche Treiben auf der Freilichtbühne Waren mit, für das er sich die Geschichte einer adligen Familie nach dem Dreißigjährigen Krieg in fünf Teilen ersann. Die sind nun auserzählt und haben am Ende dem Betreiber der Bühne mit 1200 Plätzen ein Plus in die Kasse gespielt. Deshalb darf der Babelsberger nun auch die Vorgeschichte erfinden, den Prolog zum Dreißigjährigen Krieg: „Wolf von Warentin“. Premiere ist im Juni 2011.

Mit dem Regieführen hat Roland Oehme abgeschlossen. „Dazu gehört auch körperliche Fitness, die ich langsam verliere“, so der Vater, Opa, Haus- und Ehemann. Doch wenn sein Kopf weiter mitmacht, könnte er sich vorstellen, sich noch bis zu seinem 80. Geburtstag Geschichten fürs Theater auszudenken. Sicher mit einem fröhlichen Pfeifen auf den Lippen. Denn er will nun mal die Leute unterhalten – bei aller Sturheit, die manchmal dazugehört.

„Farssmann oder zu Fuß in die Sackgasse“ am morgigen Freitag um 20 Uhr im Filmmuseum

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