Kultur: Erst Ethnologe, dann Regisseur
Filmgespräch im Thalia mit Damian John Haper über sein Spielfilmdebüt „Los Ángeles“
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„Los Angeles musst Du Dir wie einen riesengroßen Dschungel voller wilder Tiere vorstellen, Sebastian“, erklärt Mateo seinem jüngeren Bruder bei der Feldarbeit. „Du hast nicht die geringste Chance, wenn du da nicht in einer Gang bist.“ Weil die Familie in dem Dorf im Norden Mexikos dringend Unterstützung braucht, soll der 17-jährige Mateo illegal über die Grenze nach Los Angeles gehen, um dort zu arbeiten. Nach der Stadt der Engel hat Damian John Haper auch sein Spielfilmdebüt betittelt. Er erzählt eine Geschichte über mexikanische Gangs, über Armut und die Gewalt, die sich aus Hoffnungslosigkeit rekrutiert. Am Samstagabend berichtete er beim Filmgespräch im Thalia-Kino, in Mateos Dorf gebe es höchstens zwei Familien, aus denen niemand zum Arbeiten im Ausland ist.
Für Mateo beginnt alles mit einem brutalen Aufnahmeritual. Dass auf dem Weg zum voll akzeptierten Gangmitglied zwei weitere Prüfungen folgen sollen, erfährt der Protagonist – wie alle Darsteller ein Laie aus dem Dorf – erst später. Die letzte Prüfung, der Mord, der ihn endgültig und unlösbar in das Netz der Gewalt einbinden soll, verweigert Mateo – und entscheidet sich für einen anderen Weg.
„Los Àngeles“ zeigt eine raue Wirklichkeit. Dass Haper mit Handkamera gedreht hat, verstärkt das Rohe noch – die düsteren Bilder verstärken das Gefühl ständiger Bedrohung. Wobei der Regisseur, wie er erklärte, damit dem Film auch eine eigene Handschrift geben wollte.
Die Tiefe des Films, seine Wucht, rührt aber vor allem aus der Zeit, bevor überhaupt gedreht wurde. Denn Damian John Harper kennt sehr genau, was er abbildet. Bereits 2001 hatte der Amerikaner als Ethnologe in Santa Anna del Valle, jenem Dorf im Norden Mexicos, aus dem die Figur Mateo kommt, fast ein Jahr gearbeitet. Als er 2012 mit der Idee für den Film zurückkehrte, erleichterte ihm nicht nur die Freundschaft zu den Bewohnern, sondern auch seine Vertrautheit mit den dörflichen Strukturen die Arbeit: Alle entscheidenden Komitees – vom Gemeinderat über die Kirchenvertreter bis zum Rodeo-Komitee – stimmten zu, als er um die Erlaubnis für sein Vorhaben bat.
„Mein Film“, sagte der Regisseur, „beleuchtet einen Moment in der Zeitgeschichte, in dem viele junge Männer, die in den USA keinen Anschluss finden, kriminell und dann wieder abgeschoben werden.“ Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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