Von Klaus Büstrin: Europa im Schlosstheater
Eröffnung der Potsdamer Hofkonzerte 2009
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Drei junge Damen an einem Flügel. Auf der Klaviatur bewegen sie ihre insgesamt sechs Hände. Gibt das keine Misstöne? Das Trio Some Handsome Hands zeigt, dass es bestens geht. Natürlich nicht ohne fleißiges Üben und Einfühlen. Nur so kann dem Ganzen ein Erfolg beschieden werden. Das Damenklaviertrio mit Alina Pronina aus der Ukraine, Xenia Kourkoumeli aus Griechenland und Anne Salié aus Deutschland demonstrierte jedenfalls am vergangenen Samstag zur Eröffnung der „Potsdamer Hofkonzerte“ 2009 im Schlosstheater im Neuen Palais musikalische Einigkeit bei den Piecen von Mozart, Debussy oder Brahms. Das setzt natürlich auch menschliches Verstehen voraus. Die europäische Idee wurde hier bestens belebt. Unter den meisten Musikern hatte die europäische Einigkeit sowieso schon immer Priorität. Die Musik schafft Verbindendes.
Die Pianistinnen brachten ein „Europa-Medley“ zur Uraufführung, das der Berliner Komponist Philipp Mayers in Noten setzte. Darin spielt er mit den zu Hymnen erklärtem Präludium aus dem Te Deum von Marc-Antoine Charpentier und dem Chorfinale „Freude schöner Götterfunken“ aus Beethovens Neunter Sinfonie. Natürlich geht es dabei nicht immer harmonisch zu, sondern die Brüche, die dieser Kontinent erfahren hat, sind auch in dieser Musik unüberhörbar.
Anlässlich des Europa-Tages hat die erfolgreiche Konzert- und Künstleragentur Barbara V. Heidenreich dem Kontinent ein musikalisch-literarisches Programm gewidmet. Die Veranstalterin gab ihm den Titel „Mythos Europa oder Vom Stier zum Sternenkranz“. Weitgefächert waren die Beiträge, vor allem in der Literatur, für deren Auswahl Ilka Seifert und Romanus Fuhrmann verantwortlich zeichneten. Sie begaben sich mit Texten, aus deutscher Sicht, auf eine Wanderung. Ein gut 2000-jähriger Streifzug war zu erleben.
Von Europa sprach zunächst der antike römische Dichter Ovid. Nicht das Europa als Staatengebilde stand dereinst im Mittelpunkt, sondern die schöne phönizische Prinzessin Europa: Von Göttervater Zeus – zum weißen Stier verwandelt – nach Kreta entführt, gebar sie ihm drei Söhne. Darunter Minos, der dem Kontinent die Gesetze gegeben haben soll. Romanus Fuhrmann sprach die Texte des Ovid und des Horaz mit lustvoller Leichtigkeit. Der Schauspieler hatte den Hauptanteil des Programms zu bewältigen. Imanuel Kants Essay „Was ist Aufklärung“ stand da neben Georg Büchners Rede des St. Just im französischen Nationalkonvent aus „Dantons Tod“, Heinrich Heines Ausschnitt aus „Deutschland – Ein Wintermärchen“, neben Bertolt Brechts „Die Legende vom toten Soldaten“ oder die „Prüfung von Freunden in Friba-Frabi“ von Erich Fried. Es sind Texte, die von Hass, Krieg, Blutvergießen, von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, von neuen Erkenntnissen und Möglichkeiten des Zusammenlebens erzählen, nachdenklich bis satirisch. Romanus Fuhrmann wusste als Rezitator, Vorleser, Moderator mit teilweise übermütigem Spiel, doch auch vielen leisen Momenten die literarischen Vorlagen trefflich an den Zuschauer zu bringen und immer wieder zu überzeugen. Auch das Publikum sollte mit seinen Stimmen bei Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ mit ins Boot geholt werden. Aber Fuhrmann konnte sich noch so abstrampeln, den Choral im neuen rhythmischen Gewand mussten er und die Pianistinnen allein intonieren.
Der weiße Stier und Frau Europa in ihren verschiedenen Metamorphosen waren im Schlosstheater auf großformatigen Projektionen auch bildlich anwesend. Der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt schuf wieder wunderbare Cartoons, satirisch voller Saft und Kraft. Der Beifall für diesen musikalischen, literarischen und bildnerischen Streifzug war überaus herzlich Ja, es lohnt sich den „Mythos Europa“ zu wiederholen, wie ihn Barbara V. Heidenreich präsentierte.
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