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Kultur: Europas älteste Kinderkutsche

Königliche Lustgefährte und historische Arbeitswagen ab heute in Paretz zu sehen

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Das Landschlösschen Paretz, Sommersitz der Königin Luise und ihres Gemahls Friedrich Wilhelm III., ist um eine touristische Attraktion reicher. In der vergangenen Woche eröffnete hier die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ihre Dauerausstellung „Kutschen, Schlitten und Sänften des Preußischen Königshauses“. Dem Publikum werden 17 Gefährte präsentiert, darunter die zwischen 1690 und 1695 für den späteren König Friedrich Wilhelm I. angefertigte älteste Kinderkutsche Europas; eine von einem Baldachin überdachte Kalesche aus dem Jahr 1764, in der sich Friedrich der Große durch den Park Sanssouci kutschieren ließ, und das einzige erhaltene Rokoko-Galacoupé des kursächsischen Gesandten Nicolaus Freiherr von Ende mit reicher Ornamentik im plastischen Schmuck. Zu den vier ausgestellten Schlitten gehören die letzten beiden aus königlichem Besitz. Ebenso werden vier Sänften gezeigt, darunter ein 1708 für Sophie Luise, die dritte Gemahlin Friedrichs I., angefertigtes Prunkstück mit kostbaren Goldstickereien und Beschlägen.

Das „Kutschenmuseum“ kann nicht mit den Sammlungen beispielsweise in Versailles oder St. Petersburg konkurrieren, denn von den nicht weniger als 400 Gefährten, die zur Kaiserzeit im Berliner Marstall am Schlossplatz standen, sind im Krieg fast alle verloren gegangen. Kuratorin Claudia Meckel wies jedoch darauf hin, dass die Ausstellung in Paretz eine Besonderheit besitzt: Sie zeigt erstmals auch historische Arbeitswagen. Dazu gehören zwei Orangeriewagen zum Kübelpflanzentransport und eine Feuerspritze aus dem Jahr1763, die erst kürzlich im Umgang unter der Jubiläumsterrasse von Sanssouci wieder aufgefunden wurde. Eine besondere Attraktion ist ein sieben Meter langer Steintransportwagen, wie er beim Bau der Schlösser eingesetzt wurde. In sein Gestänge wurden jeweils drei bis zu 2,8 t schwere Marmorblöcke engehängt. Der Vorspann bestand aus zwölf Pferden.

Wie Stiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh ankündigte, soll die Ausstellung noch um zwei „Highlights“ bereichert werden. Für den so genannten „Goldenen Krönungswagen“, den Friedrich Wilhelm II. 1789 von den Straßburger Wagenbauern Ginzrot angefertigen ließ, ist dank Sponsorenhilfe die Restaurierung schon weit fortgeschritten. In ihm fuhr 1793 Preußens berühmteste Königin Luise zur Trauung.

Geldgeber gesucht werden für die als Staatswagen Friedrichs des Großen genutzte Berline aus dem Jahr 1785. Davon wird in der Ausstellung eine Wagentür gezeigt. Dorgerloh wertete die durch das Land Brandenburg finanzierte Sanierung und neue Nutzung der einstigen Remise als wichtigen Schritt zur Gesamtwiederherstellung des nach 1945 als Landwirtschaftsschule zweckentfremdeten und umgebauten Paretzer Schlossensembles. Als abschließende Schritte sollen die Reparatur des in den 50er Jahren hinzugefügten Saalbaus und die gärtnerische Gestaltung des Umfeldes folgen.

Ab heute ist das Kutschenmuseum für das Publikum zugänglich. Es ist bis 31. Oktober wochentags (außer montags) von 11 bis 17 Uhr, am Wochende bis 16 Uhr geöffnet. Ab 1. November wird die Öffnung auf das Wochenende beschränkt. Am Sonnabend, 30. September, wird der fünfte Jahrestag des Restaurierungsbeginns von Schloss Paretz gefeiert. Dann gibt es Sonderführungen und im Vorgelände barocke Reit- und Fahrvorführungen. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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