Kultur: Experimente im Soundlabor
Bassist Doug Wimbish mit Solo-Programm im Lindenpark
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Doug Wimbish ist einer der großen Namen unter den E-Bassisten. In seinem Portfolio sind so klanghafte Namen wie Madonna, Jeff Beck, die Rolling Stones, Seal und Depeche Mode versammelt. Auf Mick Jaggers Solo-CDs zupfte er den Bass und er war Mitglied der New Yorker Crossover-Helden Living Color. Nebenbei schrieb Wimbish ein Stück Hip-Hop-Geschichte als Musiker für die Wegbereiter des Genres Grandmaster Flash und die Sugarhill Gang.
Die Potsdamer Musikinteressierten scheint diese Biografie nicht sonderlich zu beeindrucken: beim Konzert von Wimbish am Donnerstagabend bleiben – sehr freundlich gesagt – noch einige Lücken im Publikum. Da kommt Glanz in Person einer Musiklegende in die Hütte, doch die Hütte ist fast leer. Schade. Nur knapp 50 Leute haben sich im Lindenpark eingefunden und sind neugierig, wie ein Mann und sein Bass den Abend füllen wollen. Vielleicht liegt es am traurig-leeren Bild vor der Bühne, Wimbish spielt sich auf jeden Fall mit geschlossenen Augen in einen tranceartigen Rausch. Während im Hintergrund drückende Trip-Hop-Beats krachen, steigert sich Wimbish in eine lustvolle Klang- und Krachorgie. Wie in einem David Lynch-Film kann man sich nie sicher sein, wann Wimbish zum nächsten akustischen Peitschenschlag ausholt, der kreischend ans Trommelfell klatscht.
Doch was sich in den ersten Minuten vielversprechend als großes Klang-Kino ankündigt, wird dann leider doch nur ein kleiner Ausschnitt aus dem vielfältigen Spektrum des Bass-Gurus. Die angedachte Collage aus Beats, Geräuschen, Gesang und Bass bildet selten eine stimmige Einheit und kommt nicht über die Summe der einzelnen Teile hinaus. Bei seinen Kooperationen mit Living Color-Drummer Will Calhoun unter dem Namen „Head>>Fake“ ist die hypnotische Energie greifbarer und begreifbarer. Jetzt springt Wimbish zwischen seinem Apple-Laptop und seinen Effektgeräten hin und her und seine Musik zerbröselt zu Klangfetzen. Im letzten Track „Terrorism“ beweist Wimbish aber, dass diese mitreißende Verbindung funktionieren kann. Doch dann stört wieder der doch etwas zu plakativ beschworene und ständig wiederholte Text: „This is the way we play with terrorism / CIA, FBI, CNN – terrorism / George Bush is terrorism“.
Nicht genug würdigen kann man jedoch Wimbishs geradezu unstillbare Lust am Experimentieren mit Sounds. Nur selten lässt er eine reine Bass-Saite effektfrei durch die Boxen entkommen. In seinem portablen Sound-Labor auf der Bühne, das nur einen Bruchteil seiner enormen Studio-Ausstattung darstellt, mixt er Wah-Wah-Effekte, Hall und Verzerrung unter. Wimbishs minutenlange Soli und Improvisationen beweisen dann immer wieder, dass er bei aller Liebe zum gepflegten Lärm ein ungemein melodieversierter und virtuoser Musiker ist. Bei einem ruhigeren Stück sampelt er zuerst eine Basslinie und setzt auf diesen Teppich anschließend eine wunderbare Melodielinie. Ein beinah magischer Moment, der dann auch den meisten Beifall verdient. Nach dem letzten Ton verlässt Wimbish sein „Labor“ auf der Bühne recht schnell und untheatralisch. Beim nächsten Mal sind seine Experimente hoffentlich mehr Leuten von Interesse. Christoph Henkel
Christoph Henkel
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