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Kultur: Expressive Poesie

Potsdamer Kantorei singt morgen Psalmvertonungen in der Erlöserkirche

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Das Buch der Psalmen beginnt in der Bibel mit den Worten: „Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, nicht auf dem Weg der Sünder geht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht.“

Es ist eine Sammlung von 150 Gebeten, die man im Alten Testament findet – eine der zentralen Schriften des Judentums. Die meisten dieser Verse werden König David zugeschrieben. Ihre Entstehung reicht also bis vor mehr als 3000 Jahren zurück. Sie sind bis heute ein Wegweiser durch das alltägliche Leben vieler Juden. Auch in der christlichen Liturgie nehmen sie eine wichtige Stellung ein, viele Psalmen leben bis heute im katholischen, evangelischen, orthodoxen und anglikanischen Christentum weiter als Kirchenlieder und als Gebete. „Sie sind geistliche Poesie schlechthin“, sagt der jüdische Dirigent Ud Joffe in einem PNN-Gespräch. Morgen wird er mit der Potsdamer Kantorei, dem Neuen Kammerorchester Potsdam sowie der Sopranistin Keren Hadar Psalm-Vertonungen von Heinrich Schütz, Felix Mendelssohn Bartholdy und dem estnischen Komponisten Arvo Pärt in der Erlöserkirche zu Gehör bringen.

Es wird also kein Werk erklingen, das abendfüllend ist. „Das Konzert ist ein Nummernprogramm, bei dem eine konzeptionelle Linie verfolgt wird“, so Joffe. „Das Thema Psalmen ist von der Kantorei wohl noch nie so konzentriert in einem Konzert bedacht worden, wie wir es dieses Mal versuchen. Diese Gebete verbinden Juden und Christen. Sie sind gesättigt von Lebenserfahrungen, zumeist voll individueller Höhen und Tiefen.“ Psalmen sind Schreie, Bitten, die in Vertrauen münden: Mein Schutz. Meine Burg. Mein Erretter. Sie liegen vor uns wie ein aufgeblättertes Buch der menschlichen Seele, die „himmelwärts erhoben und abgrundtief erschüttert wird, bisweilen mit einer ungeschützten und moralisch nirgends gefilterten Wucht der Empfindung, der Sehnsucht, der Trauer, des Hasses, des Jubels“, sagt der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer.

Sechs Psalm-Vertonungen stehen auf dem Konzertprogramm in der Erlöserkirche. „Sie sollen das Schicksal des Volkes Israels nachzeichnen. Es ist doch ein Phänomen, dass die Juden seit dreieinhalbtausend Jahren als ein Volk existieren, obwohl sie immer ein ,Ping-Pong-Verhältnis“ zu einem bestimmten Territorium hatten,“ erzählt Ud Joffe. Und so ist das Konzert auch in die Nähe des jüdischen Passahfestes gerückt, das an den Auszug der Juden aus der Knechtschaft in Ägypten erinnert sowie an die Feier zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel im Juni.

Heinrich Schütz und Felix Mendelssohn Bartholdy gehören zu den Komponisten, die sich wohl am intensivsten mit den Psalmen auseinandersetzten. Die „Psalmen Davids“, die Schütz 1619 drucken ließ, entfalten eine großartige Klangpracht und Gleichberechtigung der Stimmen in der vokal-instrumentalen Mehrchörigkeit. Von ihm erklingen die Psalmen 2, 136 und 137. Mendelssohn hat die morgen erklingenden Psalmmotetten 42 und 114 ganz aus dem romantischen Geist vertont, voller Farben und Stimmungen.

Der expressiven Poesie der biblischen Gedichte hat sich auch Arvo Pärt in seiner Vertonung zum 130. Psalm „De profundis“ (Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir) angenommen: in großer Schlichtheit. Der weltberühmte Komponist hat das Werk für die Potsdamer Kantorei komponiert. Und so wird der Chor es morgen im Konzert erstmals zu Gehör bringen. „Auch hierbei benutzt Pärt seinen von ihm entwickelten ,Tintinnabuli-Stil“. Dieser gründet sich auf den Dreiklang und wirkt glockenartig. Die Schlichtheit der ,stillen und schönen“ Melodien berühren mich zutiefst“, sagt Ud Joffe.

Vieles was die Menschen im Innersten bewegt, im Äußersten (um)treibt, sind in den Psalmentexten zu finden. Die Musik hilft, ihren so bestürzenden Realismus, ihre Weisheit und Kraft den Menschen auch von heute nahezubringen.

Konzert morgen um 17 Uhr in der Erlöserkirche, Nansenstraße. Eintrittskarten an der Abendkasse.

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