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300 JAHRE FRIEDRICH II.: Familiendrama
Gleich mehrere Schriftsteller schrieben über die konfliktreiche Beziehung zwischen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.
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Zum 300. Geburtstag werden die Buchläden von Büchern über Friedrich den Großen regelrecht überschwemmt. Es gibt fast nichts, worüber man über den Preußenkönig noch nicht geschrieben hat. Aber nur wenige Bücher haben die Zeiten überdauert, sind zu Klassikern geworden. Dazu gehört auch Jochen Kleppers 1938 veröffentlichter Roman „Der Vater“ (Deutsche Verlags Anstalt). Das Werk des Pfarrerssohns aus Beuthen, des Rundfunkjournalisten und vor allem des Kirchenlieddichters wurde in der Zeit des Nationalsozialismus vor allem von Hitlergegnern aus dem Bürgertum gelesen. Auch heute gehört es zu den populärsten Büchern, die die Lebensgeschichte des preußischen Königs Friedrich Wilhelms I. und über die konfliktreichen Beziehungen zu dessen Sohn Friedrich erzählt.
Klepper, der 1942 mit seiner Frau Hanni, einer Jüdin, und der Stieftochter Renate Selbstmord begeht, um der drohenden Einlieferung in ein Vernichtungslager zu entgehen, legitimiert und idealisiert in seinem Roman den Obrigkeitsstaat. Der Realität des Dritten Reichs setzt er den patriarchalischen Staat Friedrich Wilhelms I. entgegen. Der Begriff des Vaters hat für ihn zwei Bedeutungen: Einerseits überantwortet sich Friedrich Wilhelm völlig der Gnade Gottes – des himmlischen Vaters –, andererseits ist er selbst der Vater seiner Familie, der Untertanen und Soldaten. Der Konflikt mit seinem Sohn, den er für seine strengen Prinzipien zu opfern bereit ist, wird von Klepper entsprechend zum Sohnesopfer Gottes stilisiert. Doch auch Friedrich Wilhelms Leben erscheint im Roman teilweise als Passionsgeschichte. Sein Recht zu herrschen begründet Klepper im Motto des Romans mit einem Zitat Friedrich Wilhelms: „Könige müssen mehr leiden können als andere Menschen“. Der König, so der Dichter, führt sein Leben in dem Bewusstsein, sich für alles vor Gott verantworten zu müssen. Den Machthabern im Dritten Reich ist Kleppers Idealbild von einem Herrscher jedoch fremd: Demut, Selbsterniedrigung, Gewissensbefragung, inneres Ringen, Verantwortungsgefühl für das ganze Volk, ohne Ausnahme.
Heinrich Mann geht pointierter zu Werke als Klepper. Unverhohlener ist seine Kritik. Auch in dem aus dem Jahre 1948 hinterbliebenen Fragment „Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen“. Es ist ein aufklärerisch-historischer Dialogroman über die fatale Entwicklung eines „gequälten Jünglings“. Die Geschichte einer hochneurotischen Vater-Sohn-Beziehung, die brutalen Familienverhältnisse, Ehekonflikte, Gewalttätigkeit, Zynismus und Gefühlskälte erhalten große Plastizität. Ein Familiendrama Heinrich Mann „besichtigte ein Zeitalter“ auch hier und schlug die Brücke zu seinen Romanen, die von deutscher Erziehung handeln, die zu erschreckendem Untertanengeist führte. „Die traurige Geschichte Friedrichs des Großen“ ist vor allem als Theaterfassung bekannt geworden. Das Hans Otto Theater hat es vor einigen Jahren zur Aufführung gebracht.
Auch Heiner Müller schrieb über die beiden Preußenkönige ein Theaterstück: „Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei“. Der stenografische Titel kündigt bereits an, was man zu sehen bekommt: drastische szenische Kürzel, lose zusammengefügt zu einem theatralischen Mosaik. Müller nennt seine scharf karikierende Collage sogar „Ein Greuelmärchen“. Er suchte in der Geschichte immer wieder nach Erklärungen und Gründen dafür, was der Verlust an Humanismus möglich macht. Er fand einen „Verursacher“: Preußen und seinen Militarismus. „Leben Gundlings Friedrich von Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei“ ist ein Stück, von dem Heiner Müller sagte: „Wenn ich das wieder lese oder wenn ich daraus zitiere, merke ich, dass es mich mehr angeht als viele andere Texte.“
Ohne Interpretation kommt das Buch „Allergnädigster Vater“ (Das Neue Berlin) aus. Der Historiker Frank Schumann hat bereits am Ende der DDR-Zeit Dokumente und Briefe aus der Jugend Friedrichs II. in dem Buch herausgegeben. Sie erzählen anhand des authentischen Materials eindrucksvoll von der Beziehung zwischen Vater und Sohn, wie Friedrich Wilhelm I. mit aller Macht Friedrich ganz und gar nach seinem Gusto formen möchte, von der Enttäuschung, dass der Thronfolger solchen Ansprüchen entfliehen wollte und von der Sehnsucht nach Freiheit, nach einem selbstbestimmten Leben. Aus Fritz wird Friedrich. Der letzte Brief des Buches ist an Voltaire gerichtet. In ihm berichtet er über den Tod seines Vaters. Er ist nun selbst König.
„Sein Leben war das Traurigste von der Welt“, sagte Friedrichs Schwester, Wilhelmine Bayreuth, über die Jugend ihres Bruders. Sie musste es am besten wissen, denn sie litt genauso unter der Fuchtel ihres Vaters. Das Zitat Wilhelmines ist auch der Titel des Buches des von Uwe A. Oster, das im Piper Verlag erschienen ist. Der Autor stellt darin deutlich die Frage: Waren die Rollen tatsächlich so klar verteilt? War der Vater nur der unbarmherzige Richter, der Sohn das unschuldige Opfer?Klaus Büstrin
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