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Kultur: Farbenfroh und klangtrunken

Sopranistin Keren Hadar und Gitarristin Liat Cohen mit „Latino Intercontinental“ in der Friedenskirche

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Das ist das Schöne an diesen musikalischen Reisen: Der Zuhörer sitzt bequem auf seinem Stuhl und durchwandert innerhalb von ein bis zwei Stunden an den Händen oder mit den Stimmen der Musiker, schwere- und zeitlos, Länder und ganze Kontinente. „Latino Intercontinental“ hieß das Reiseprogramm, das die Sopranistin Keren Hadar und die Gitarristin Liat Cohen im Rahmen der Vocalise 2008 am Dienstag in der Friedenskirche präsentierten. Ein weltumspannendes Konzert, das über Israel, Spanien und Italien bis nach Südamerika führte.

Vor allem die Abstecher nach Italien und Südamerika werden in Erinnerung bleiben. Mauro Giulianis so schlicht-schöne und herzschmerzsatte Version von „Ne m“oubliez pas“, der Keren Hadar einen weich-sentimentalen Glanz gab, ohne ins Theatralische abzugleiten und die Liat Cohen auf der Konzertgitarre mit einer zurückhaltend, fein intonierte und akzentuierte Begleitung umwob. Und danach noch einmal dieser italienische Komponist und Gitarrenvirtuose mit der ersten und wohl bekanntesten seiner „Rossiniana“ aus dem fünfteiligen Zyklus.

Schnelle Spieler meistern diese „Rossiniana n. 1 op. 119“ in fünfzehn Minuten. Solche, die sich gern Zeit lassen, kommen leicht auf zwanzig Minuten. Liat Cohens Interpretation lag genau dazwischen. Ein sprühendes Ideenfest und schier unerschöpflicher Zitatenreichtum ist die „Rossiniana“, mit der sich Giuliani vor dem großen Opernkomponisten Rossini verneigte. Durch die Burlesken und den ständigen Spannungsaufbau stellt diese Komposition eine wahre Herausforderung dar und lässt nicht selten manch Gitarristen scheitern, der daraus eine knochentrockene Technikstudie macht.

Doch Liat Cohen ließ die feinen musikalischen Funken sprühen, den feinen Witz aufblitzen und die Themenüberzahl herrliche Purzelbäume schlagen. Farbenfroh und klangtrunken tobte es durchs Kirchenschiff, um sich dann wieder ganz zurückhaltend und züchtig zu geben. Ein Genuss, dem man sich gern noch länger hingegeben hätte.

Dagegen wirkte die bekannte „Asturias“ von Isaac Albéniz am Anfang des Konzerts wie im Schnelldurchlauf gespielt, als sei diesem Teil Spaniens nur ein Kurzaufenthalt gegönnt. Kaum akzentuiert, fast schon atemlos und scheinbar mehr auf Sicherheit denn Risiko setzend, brachte Liat Cohen diese faszinierende Komposition hinter sich. Auch die fünf Lieder von Mario Castelnuovo-Tedesco aus „The Divan of Moses Ibn-Ezra“ sorgte für wenig Wohlgefallen, weil hier die Harmonie fehlte und Keren Hadar eine unangebrachte Schärfe in ihre Stimme legte.

Spätestens bei Manuel da Fallas Vertonungen spanischer Volkslieder und den südamerikanischen Komponisten Agustin Barrios Mangoré und Heitor Villa-Lobos hatten Sängerin und Gitarristin zueinander gefunden und ließen den Rest der Reise zu einem musikalisch-bilderreichen Erlebnis werden. Dirk Becker

Das nächste Konzert im Rahmen der Vocalise 2008 findet am morgigen Freitag, um 19.30 Uhr, mit dem Ensemble Sarband in der Erlöserkirche statt.

Dirk Becker

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