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Von Klaus Büstrin: Farbig, bewegt, einsam

Zum Tod des Potsdamer Künstlers Ralf-Günther Krolkiewicz am 5. Oktober in Thailand

Stand:

Die Farben der Landschaft, die märkische, vor allem die der weiten Felder und Wiesen: blau, rot, grün. Ralf-Günther Krolkiewiczs urwüchsiges Verhältnis zur Farbe macht den Betrachter seiner Bilder immer wieder hoffnungsfroh. Es gibt auch die Bilder vom Circus, Erinnerung an das Theater – heiter und nachdenklich. Die Träume nach einer halbwegs heilen Welt scheint in allen anzuklingen. Wie in einem Rausch hat er in den vergangenen zwei Jahren gemalt. Man kann es beklagen, dass so spät erst sein Malerdasein begann.

Ralf-Günther Krolkiewicz war ein vielseitig begabter Künstler. Er war Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller und Autor. Intendant des Hans Otto Theaters Potsdam obendrein, von 1997 bis 2004. Und es scheint, dass er Spaß an all diesen facettenreichen Arbeiten hatte. Obwohl seit mehreren Jahren ihm die schwere Parkinson-Erkrankung existenziell bedrohte.

Am 5. Oktober ist er, wie erst jetzt zu erfahren war, im thailändischen Pattaya an Nierenversagen verstorben. Mit 52 Jahren. „Ich begründe hier gerade eine neue Existenz, weil ich die letzten Jahre mit meiner Situation sehr allein war. Ich habe gekämpft, viel geschrieben, zu malen begonnen. Es hat nur wenig geholfen, ich war einsam wie nie, hab“ das Haus kaum verlassen, mich abgekapselt und hatte ohne Verschulden beinah alles verloren ...“, schrieb er an einen Freund in Wilhelmshorst. Es war einer seiner letzten Briefe.

Ralf-Günther Krolkiewicz war ein sehr sensibler, ein sehr verletzlicher Mensch gewesen. Die Krankheit hat ihn noch empfindsamer gemacht gegenüber Kritik. Doch wusste er stets, dass er sich als Schauspieler und Regisseur der Öffentlichkeit stellen muss. Und zu diesen Berufen gehören Gelungenes und weniger Gelungenes. Der gebürtige Erfurter wurde nach einer Elektronikausbildung Schauspieler. Im Jahre 1979 führte ihn sein erstes Engagement an das Hans Otto Theater. Hier spielte er große und kleine Rollen, vom Prinzen in „Dornröschen“ bis zum Seher Teiresias in Sophokles „Antigone“. 1984 gab es einen tiefen, einen dunklen Einschnitt im Leben Krolkiewiczs. Die Staatssicherheit hatte ein Auge auf ihn geworfen und schlug nach einer Lesung mit systemkritischen Texten in der Spartacus-„Stube“ zu. Mit drei Monaten Isolationshaft im Stasi-Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße und mit einem Jahr Zuchthaus in Cottbus sollte Ralf-Günther Krolkiewicz gedemütigt werden. Die Kraft der Liebe ließ ihn in dieser Zeit aber nicht in die Tiefe fallen. Sein Roman „Hafthaus“, das er in den neunziger Jahren im Märkischen Verlag Wilhelmshorst veröffentlichte, erzählt in zutiefst bewegender Weise von seinem bedrückenden Aufenthalt in den Gefängnissen. Schließlich wurde er frei gekauft und ging nach Westdeutschland. Dort konnte er wieder in seinem geliebten Schauspielerberuf arbeiten, in München, Oberhausen, Bamberg, Augsburg und anderswo. Doch mit Potsdam, die Stadt, in der er Freuden und Leiden so unmittelbar erlebte, blieb er verbunden. 1996 kam Ralf-Günther Krolkiewicz wieder zurück an die Havel, an das Hans Otto Theater. Als Schauspieler, Oberspielleiter und schließlich Intendant. „Zu einer Zeit, als die weitere Existenz des Potsdamer Theaters von nicht wenigen Entscheidungsträgern derPolitik in Frage gestellt wurde, ist es ihm gelungen, das Hans Otto Theater und sein Ensemble wieder an die soziale Wirklichkeit dieser Stadt anzubinden und damit in das Bewusstsein des Publikums und in den öffentlichen Meinungsaustausch zurückzuholen“, heißt es im Nachruf des Theaters. Und Oberbürgermeister Jann Jakobs schreibt, dass Potsdam heute von den Kämpfen, die „er zu seiner Zeit für das kulturelle Leben dieser Stadt und insbesondere für das Entstehen eines neuen Theaters geführt hat“, profitiere.

Wunderbare künstlerische Erlebnisse sind mit Krolkiewiczs Namen verbunden. Er hat mit seinen Operninszenierungen im Schlosstheater im Neuen Palais besonders den traditionsreichen Mozart-Zyklus eine neue Facette hinzu gefügt. Natürlich hat er auch im Schauspielbereich Regie geführt. Seine letzte Inszenierung am Hans Otto Theater galt Shakespeares „König Lear“ mit Alexander Lang in der Titelrolle, ein Stück von Macht, Machtmissbrauch und letztendlich Machtverzicht.

Doch auch nach seinem Weggang blieb er dem Theater verbunden, fand die Zeit, zum Stücke schreiben. Der Erfolg blieb nicht aus. 2004 erhielt Ralf-Günther Krolkiewicz den Hauptpreis des „Heidelberger Stückemarktes“ für sein Schauspiel „Sonst is alles wie immer“. Sein Theaterstück „Herbertshof“ wurde 2005 mit dem Landespreis für Volkstheaterstücke Baden-Württemberg ausgezeichnet. Uraufgeführt wurde es am Hans Otto Theater, aber schon unter der neuen Intendanz von Uwe Eric Laufenberg.

Den verschiedenen Farben der Kunst ist Ralf-Günther Krolkiewicz nachgegangen. Doch aus Thailand hat er geschrieben: „Ich hab nicht viel Möglichkeiten mehr zu einem Neuanfang“. Er hat wohl keine Farben der Hoffnung mehr gesehen.

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