Von Peter Buske: Faszinierend
Konzertant: Ausschnitte aus Rosenfelds „Friedrich und Montezuma“
Stand:
„Etwas schwierig mit dem Thron“, ächzend zwängt sich Gerhard Hartmann in das theatralische Sitzmöbel, um von dort aus die ausschnittsweise Aufführung von Gerhard Rosenfelds bislang noch nicht uraufgeführte Oper „Friedrich und Montezuma“ erläuternd zu begleiten. Das Interesse an der von der Brandenburgischen Gesellschaft der Freunde Italiens „Il Ponte“ organisierten klingenden Werkbeschau ist riesig, sodass der große Saal des Alten Rathauses bis auf den letzten Platz besetzt ist. Da das visuelle Erleben von Szene und Kostümen bei dem Vorhaben genauso fehlt wie der Orchesterklang, muss man als Zuhörer einige Fantasie aufbringen, um die Schön- und Feinheiten der Oper in Gänze innerlich erleben zu können. Was übrigens im Sinne des Notenerfinders ist, der die „Mobilisierung der Fantasie“ als wesentliches Anliegen seiner Kunst verstanden wissen wollte.
Ganz von Fantasie durchdrungen ist auch Pianistin Inge Lindner, die aus dem Klavierauszug ein ganzes Orchester zu imaginieren versteht – so durchsichtig, farbenreich, nuanciert und pointiert im Anschlag, ja geradezu virtuos gerät ihr die Notenverwandlung! Eine sachkundige Reiseleiterin. Unter ihren ausdrucksstarken Fingern, die mannigfaltigste Leidenschaften erregen können, von Hoffnungen, Stolz, Verzweiflung, List und Tücke künden, gewinnt sich Rosenfelds tonale, konzentriert gearbeitete Musik ihren ganzen Zauber. Vielschichtig zeigt sie sich, sänger- und hörerfreundlich. Sie versteht, auf höchst selten gewordenen Weise die mannigfaltigsten Situationen und Charaktere plastisch zu schildern. Trotz ihres stilistisch unterschiedlichen Gestus’ – der Montezuma-Welt sind barocknahe Erfindungen à la Graun zugeordnet, der friderizianischen Männerwelt manch marschtrunkene Eingebung – fügt sie sich harmonisch zu einem sich gegenseitig durchdringenden Ganzen.
Die Haupthandlung konzentriert sich um Friedrich als Kronprinz und König, seine kulturellen und kriegerischen Aktivitäten bis hin zum für Preußen siegreichen Ende des Siebenjährigen Krieges. Dazwischen kommentieren die Ereignisse um den Aztekenherrscher Montezuma, den Friedrich in einer von Graun komponierten Oper als beispielhaften und gütigen Fürsten darstellt, die Entwicklung Friedrichs vom antimacchiavellistischen Kronprinzen zum Warlord. Als der Azteke ermordet wird, ist des Preußen besseres Ich vernichtet. Prägnante Monologe, Duette und Ensembleszenen liefern eine begreifliche Kurzfassung der vom Librettisten gewissenhaft erläuterten Geschehnisse.
Das sechsköpfige Sängeraufgebot bewährt sich in verschiedenen Rollen aufs Vorzüglichste. Überaus wandlungsfähig und gestaltungsintensiv singt Christine Wolff die höhenstrapaziösen Sopranausflüge eines selbstbewussten spanischen Offiziers, den intervallreichen Intrigengesang des Eroberer Cortez und den ergreifenden Klagegesang der Eupaforice. Nicht weniger beeindruckend Reinhart Ginzel in den pubertären Wutausbrüchen des Kronprinzen und seiner Fluchtpläne bis hin zur klar und kraftvoll vorgetragenen Einsicht des Königs „Ich starre in den Abgrund meiner Träume“ und seiner Kriegsrechtfertigung „Was kann ich gegen meine Feinde“. Ausdrucksstark und schier atemanhaltend gestaltet Thomas Wittig die Jähzornsausbrüche von Friedrichs Vater, dessen ariosen Armee-Hymnus. Unterstützung beim Lobpreis der Kriegskunst gewährt Klaus Lang als Alter Dessauer, während Thorbjörn Björnsson dem Katte seinen markanten Bariton leiht. Eva-Marlies Opitz hat in der Jubelarie des Cortez ihren großen „Auftritt“.
In den intensiven Beifall mischte sich einem gedanklich die Erwartung an die Berliner Staatsoper, sie möge ihr Uraufführungsversprechen endlich einlösen. Wenn nicht, böten sich die Musikfestspiele 2010 an, bei ihrer Suche nach dem fernen Paradies neben Grauns „Montezuma“ auch Rosenfelds Oper als zum Thema passend uraufzuführen.
Peter Buske
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