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Qualitätsvolles Musizieren. Seit 15 Jahren spielen freiberufliche Musiker und Studierende der Berliner Musikhochschulen im Neuen Kammerorchester Potsdam, unter der Leitung von Ud Joffe – zumeist in der Erlöserkirche, oder wie hier, im Nikolaisaal. Zum Jubiläumskonzert will das NKOP einen Tanzabend mit Musik von Bach und Strawinsky bieten.

© Stefan Gloede

Kultur: Feiern mit Bach und Pulcinella

15 Jahre Neues Kammerorchester Potsdam – Christian Seidel wird für sein Engagement geehrt

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Das Goldene Buch wird nur ganz selten in der Kirche aufgeschlagen. Das Buch der Bücher, die Bibel, hat dagegen natürlich seinen festen Platz im sakralen Raum – ein längst fertig geschriebener Foliant. Ein Goldenes Buch ist jedoch immer im Wachsen. In der Erlöserkirche liegt heute Abend jenes Buch der Stadt Potsdam aus, in dem sich verdienstvolle Bürger eintragen dürfen. Heute darf es Christian Seidel. Damit soll vor allem sein engagiertes Wirken beim Neuen Kammerorchester Potsdam (NKOP) gewürdigt werden. Oberbürgermeister Jann Jakobs ist der Laudator.

Viele Potsdamer kennen Seidel als Kommunalpolitiker – der Sozialdemokrat war jahrelang Vorsitzender des Bauausschusses der Stadtverordnetenversammlung und setzte sich engagiert für die Wiedergewinnung der historischen Potsdamer Mitte ein. Durch seine Fachkenntnis und sein ausgleichendes Wesen erwarb er sich viele Sympathien – quer durch alle Fraktionen im Stadtparlament. Doch neben dem politischen pflegt Seidel auch das musikalische Engagement. Mit der freien Orchesterinitiative verbindet ihn seit 15 Jahren eine enge Partnerschaft. Von Anfang an habe ihn das Konzept des Künstlerischen Leiters Ud Joffe überzeugt, sagt er. Das NKOP bestreitet eigene Konzerte und chorsinfonische Aufführungen der Chöre an der Erlöserkirche und Gastauftritte bei Chören in Potsdam, Berlin und anderswo. Außerdem sah Seidel auch die Etablierung des Festivals „Vocalise“ als eine wunderbare Aufgabe für ihn an.

Somit wurde Christian Seidel Geschäftsführender Vorsitzender des Trägervereins Neues Kammerorchester Potsdam e.V. Ohne eine Ausbildung zum Orchestermanager hat er seit Mitte 2001 die umfangreichen Geschäfte erfolgreich geführt. Aber glücklicherweise brauchte er sich nicht nur um organisatorische und finanzielle Belange, die die vier Sinfoniekonzerte und chorsinfonischen Aufführungen – mittlerweile hat das NKOP bis zu 35 Verpflichtungen im Jahr – mit sich bringen, zu kümmern. Gemeinsam mit Ud Joffe hat er die Werkauswahl für die kommende Saison konzipiert. Das habe ihm am meisten an dieser Tätigkeit Freude bereitet, bekennt Seidel, der als promovierter Physiker sein Geld verdiente und sich seit dem vergangenen Jahr im – sehr lebhaften – Ruhestand befindet. „Auch das Verfassen von Einführungstexten für die Programmhefte war mir ein besonderes Anliegen. Denn dadurch habe ich mich persönlich intensiv mit den jeweiligen Werken beschäftigen können und bin der Musik, den Komponisten und ihrer ein Stück Zeit näher gekommen. Ich hoffe auch die Leser und Hörer“, sagt Christian Seidel.

Das heutige Programm zum Finale der Jubiläumssaison, das in der Erlöserkirche, dem „Stammhaus“ des Neuen Kammerorchesters stattfindet, ist wie andere Sinfoniekonzertabende der diesjährigen Spielzeit dem Tanz vorbehalten. Die weitgehend vom höfischen Tanz inspirierte Musik der Orchestersuite Nr. 1 in C-Dur BWV 1066 von Johann Sebastian Bach trifft auf Igor Strawinskys Ballettkomposition „Pulcinella“ aus dem Jahre 1920.

Dazu griff der gebürtige Russe Strawinsky zu Noten des italienischen Barockkomponisten Giovanni Battista Pergolesi, um sie mit seiner musikalischen Auffassung liebevoll und schwungvoll zu verfremden. Inzwischen ist „Pulcinella“ ein Klassiker der neoklassizistischen Ära Strawinskys geworden.

Mit ins Boot holte sich Dirigent Ud Joffe aus der Erlöserkirchen-Nachbarschaft das Theater Poetenpack. Mit seinen literarisch-szenischen Mitteln wird es Einblicke in die Figur des neapolitanischen Volkstheaters und deren Rezeption bis ins 20. Jahrhundert geben. Goethe schrieb über ihn: „Der Pulcinella ist in der Regel eine Art lebendige Zeitung. Alles, was den Tag über sich in Neapel Auffallendes zugetragen hat, kann man abends von ihm hören.“ Wissenswertes und Unterhaltsames hat der Schauspieler und Regisseur Justus Carrière vom Poetenpack auch rund um die Pariser Uraufführung des Strawinsky-Balletts zusammen getragen. Das Bühnenbild zu „Pulcinella“ entwarf Pablo Picasso. Zeitgeschichte wollen die Schauspieler zu den Klängen lebendig werden lassen.

„Ich hoffe, dass der ,Tanzabend’ leichtfüßig daherkommt, dass er feinsinnige Unterhaltung bietet und die Konzertbesucher beschwingt nach Hause gehen“, so Christian Seidel. Ein qualitätsvolles Musizieren hat das Neue Kammerorchester, das freiberufliche Musiker und Studierende der Universität der Künste und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin vereint, seit 15 Jahren unter dem Dirigat Ud Joffes unter Beweis gestellt und der Musikstadt Potsdam eine unverwechselbare Farbe gegeben. Christian Seidel war in diesen eineinhalb Jahrzehnten ein unermüdlicher und zuverlässiger Motor in Sachen Neues Kammerorchester, nach innen und außen. Doch mit dieser Saison beendet er seine ehrenamtliche Tätigkeit beim NKOP. „Irgendwann muss man mit einer Sache – auch wenn sie sich noch so erfolgreich gestaltet – abschließen und etwas Neues starten“, sagt er.

Konzert des Neuen Kammerorchesters Potsdam heute ab 19.30 Uhr in der Erlöserkirche, Nansenstraße.

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