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Kultur: Filme, die bleiben

Filmmuseum ehrt den DEFA-Regisseur Roland Gräf zum 70. Geburtstag mit einer Filmnacht und einer Foyerausstellung

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Filmmuseum ehrt den DEFA-Regisseur Roland Gräf zum 70. Geburtstag mit einer Filmnacht und einer Foyerausstellung Roland Gräf stand immer etwas in der zweiten Reihe der DEFA-Regisseure. „Völlig zu Unrecht“, wie Elke Schieber, die Leiterin des Filmmuseum-Archivs, nach aktueller Sichtung seines Werkes erneut feststellte. „Es gibt Filme, die werden im Laufe der Jahre immer schlechter, Gräfs Filme gehören hingegen zu denen, die bleiben werden. Den Grund dafür sehe ich in seiner künstlerischen Haltung, was Film und Wirklichkeit betrifft. Gräf war immer der Realität auf der Spur, ohne ästhetische Spitzfindigkeiten.“ Die am Freitag anlässlich seines 70. Geburtstags stattfindende Filmnacht sowie die kleine Foyerausstellung, an der Elke Schieber gerade werkelt, werden Erinnerungen an Filme wie „Die Flucht“, „Fallada – Letztes Kapitel“, „Fariaho“ oder „Der Tangospieler“ wecken. In der kleinen chronologisch erzählten Schau mit Fotografien, Plakaten und persönlichen Dokumenten geht die Zeitreise zurück in die 60-er, als junge Leute wie Gräf sehr skeptisch das Treiben der DEFA betrachteten und interessiert auf das italienische Kino schauten. Der Kameramann Gräf ging mit dem Regisseur Jürgen Böttcher den Verbotsfilm „Jahrgang 45“ an, den einzigen Spielfilm, den Böttcher drehte. „Der Regisseur, der von der Malerei kam, hatte damals einen sehr starken Einfluss auf seine einstigen Kommilitonen der Babelsberger Filmhochschule. Er bevorzugte das lakonische Erzählen und die Nähe zum Dokfilm. Das war auch die Sprache Gräfs, dessen Kamera nichts vordergründig ausleuchtete, nicht auf unnötige Effekthascherei zielte. Alles sollte möglichst realistisch aussehen“, so Elke Schieber. Für Gräf sei ein Film die Kombination aller Künste gewesen, und das Bild hatte sich der Geschichte unterzuordnen. „Mit dieser Position lieferte er sich mit dem Kameramann Werner Bergmann heftige Gefechte, der eine ganz andere Auffassung vertrat.“ „Mein lieber Robinson“ war dann 1970 Gräfs erster Film, zu dem er nicht nur die Kamera, sondern auch Regie führte. „Er setzte diese Liebesgeschichte mit Laiendarstellern in Szene, um möglichst glaubwürdig zu sein.“ Das Buch dafür schrieb Klaus Poche, der auch den Stoff für „Die zweite Haut“ lieferte. Nachdem bereits die Dreharbeiten begonnen hatten, wurden sie kurzerhand von der DEFA-Leitung gestoppt. Es gäbe schon zu viele Ehegeschichten, hieß die Begründung. „Roland Gräf machte darüber keine großen Worte. Dazu war er viel zu bescheiden. Vielleicht stand er auch deshalb nicht so im Vordergrund. Er und seine Frau Christel, die immer eng zusammenarbeiteten, suchten ständig nach neuen Stoffen und trauerten nicht lange einem fehlgeschlagenen Projekt nach“, weiß die Archivarin zu berichten. Für sie sei Gräfs Werk auch deshalb so spannend, weil es immer die Gesellschaft mit erzählte: „Es gab keine geschönten Geschichten und auch keine Happyends. Deshalb kann man bei ihm die Realitätsnähe erfühlen. Das ist es, was bleibt.“ Im Mittelpunkt standen bei ihm zumeist Männer, in „Bankett für Achilles“ zum Beispiel ein älterer Herr, der aus dem Arbeitsprozess ausscheidet, und auf dem verseuchten Boden der Buna-Werke einen Schrebergarten anlegen will. Eine Paraderolle für Erwin Geschonneck. „Die Flucht“ erzählt wiederum die Geschichte eines labilen Arztes, der sich vom Westen abwerben lässt. „Man ist beinahe fassungslos, wenn man heute diese schonungslose Betrachtung über die Heuchelei in Krankenhäusern sieht.“ Dieser Film mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle erhielt zahlreiche Auszeichnungen auf Filmfesten in Ost und West. Mit seinen „Märkischen Forschungen“ konnte Gräf diesen Erfolg wiederholen. Dieser Film nach einer Erzählung von Günter de Bruyn mit Hermann Beyer, Eberhard Esche und Jutta Wachowiak in den Hauptrollen nimmt Opportunismus und politische Manipulation aufs Korn und wird bester DEFA-Film 1982. Zu vielen westlichen Festivals fuhr der Babelsberger auch mit „Das Haus am Fluss“. Nach einer Friedrich-Wolf-Erzählung gedreht, zeigte er die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf den Alltag in der DDR. „Die vier Frauen Katrin Saß, Corinna Harfouch, Jutta Wachowiak und Johanna Schall glänzten in ihren Rollen.“ Kurz darauf erhielt der geborene Thüringer den Nationalpreis II. Klasse. Zu seinen großartigen Männerfilmen gehört auch „Fallada – Letztes Kapitel“, in dem Jörg Gudzuhn sehr überzeugend die Zerrissenheit eines Autors wiedergibt. „Fallada war ein Mann, der durch alle Härten des Schreibens und der politischen Strukturen geht und daran zerbricht. Wieder gestaltete Gräf einen Suchenden, der sich schwer tat im Leben und am Ende einen hohen Preis zu zahlen hat“, umreißt Elke Schrieber die Qualität des Gräfschen Schaffens. Auch nach der Wende findet der DEFA-Mann anfänglich zu neuen, auch preisgekrönten Projekten. Sein „Tangospieler“ mit Michael Gwisdek in der Titelpartie bekommt 1991 den ersten gesamtdeutschen Filmpreis. „Die Spur des Bernsteinzimmers“ ein Jahr später geht schon etwas unter in der Kinolandschaft und wird schließlich auch sein letzter realisierter Film bleiben. Im Alltag der Bundesrepublik angekommen, kann der Regisseur keinen Film mehr durchsetzen. Es fehlt die Finanzierung. Das Drehbuch „Heimat, süße Heimat“ über das Schicksal eines deutschen Kommunisten, der in Stalins Straflager landet und schließlich in die DDR zurück kehrt, aber nie richtig dort ankommt, bleibt im Schreibtisch. Das Geld zum Drehen ist nicht aufzutreiben. Da der Regisseur sich nicht auf billige Fernsehserien einlassen wollte, zog er sich aus dem aktiven Filmgeschäft zurück, setzte sich aber im Vorstand der DEFA-Stiftung für die Pflege und Bewahrung des ostdeutschen Filmerbes ein. Auch mit seinen eigenen Filmen ist er immer mal wieder in Klubs unterwegs und sorgt für lebhafte Diskussionen. Darauf hofft er natürlich auch am Freitag im Filmmuseum, wo sich der Jubilar mit seinen schönen Frauen Jutta Wachowiak und Corinna Harfouch, die er immer wieder in seinen Filmen besetzte, erneut schmücken kann. Heidi Jäger

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