Kultur: Filmknattern in Dorfidylle
Zurück zu den Drehorten: „Kino über Land“ zeigt Filmschauplätze in Potsdams Ortsteilen am Rande
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In dem Film „Die Gänseprinzessin“ werden wohl nur die Grubener selbst ihren Ort wiedererkennen. Die Weideflächen des Golmer Luchs, über die die Prinzessin reitet, könnten auch woanders aufgenommen worden sein. Kein Kirchturm und auch nicht das seit Jahrzehnten bewohnte Storchennest fanden in dem 1988 gedrehten Märchen von Konrad Petzold Beachtung. Anders als bei Andreas Dresen, als er vor 20 Jahren als Hochschulabsolvent aufs Land fuhr, um „Krauses Kneipe“ mitsamt feierwütiger Himmelfahrtsgäste zu porträtieren. Entstanden ist damals ein amüsant-nachdenklicher Film über einen Stammtisch, der seit mehr als 100 Jahren beliebtes Ziel nicht nur für Potsdamer Ausflügler war.
Beide Filme werden zum Auftakt der Reihe „Land in Sicht“ am Samstag in der ländlichen Idylle von Grube aufgeführt: zehn Kilometer von Potsdam entfernt, vorbei an Rapsfeldern, Gänseblümchenwiesen und Fliederhecken – bestens auf dem neuen Radweg zu erreichen oder mit dem 612er Bus. Allerdings kann der Besucher nicht ganz das authentische Flair des einstigen Drehorts erleben. Die Kneipe wurde gerade verkauft. Nun findet die Aufführung um die Ecke im Laubenweg statt, in dem imposanten Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr. „Das hat schon Witz: Wir mussten unser Haus für ein Jahr wegen Brandschutzmaßnahmen räumen und spielen jetzt in der Feuerwehr“, sagt Sachiko Schmidt vom Filmmuseum, der diese Landbespielung organisiert – auf Initiative der Stadt Potsdam anlässlich der 20-jährigen Eingemeindung von Grube und Eiche sowie des zehnjährigen Zusammengehens mit Fahrland, Golm, Groß Glienicke, Marquardt, Neu Fahrland, Satzkorn und Uetz-Paaren.
Das Künstlervolk richtete gern seine Sets in den Dörfern ein. „Es war für die Filmschaffenden praktisch, in der ländlichen Idylle nahe der Filmstudios von Babelsberg und Berlin zu drehen. So hielten sich der finanzielle und logistische Aufwand in Grenzen“, sagt Schmidt. Heute wiederum sind die Filme Zeitzeugnisse. So, wenn das Ehepaar Krause von seinen Ängsten erzählt, die Kneipe irgendwann nicht mehr halten zu können. Nun, 20 Jahre später, sind sie in Rente. Die Söhne haben nicht, wie erhofft, die Kneipe übernommen. Das wirtschaftliche Risiko war offensichtlich zu groß. Die Krauses werden bei der Aufführung nicht dabei sein, zu sehr wühlen sie die Erinnerungen noch auf. Dafür kommt Andreas Dresen, wenn sich die drei roten Rolltore öffnen und die Feuerwehrautos herausfahren. Sie dienen als Schattenspender für die Kinoleinwand, die in der Garage aufgespannt wird: vor rustikalen Biertischgarnituren für ein volksnahes Kinoerlebnis. „An der Freiwilligen Feuerwehr kommt man nicht vorbei, will man etwas auf die Beine stellen. Die ist neben der Kirche oft das Herz des Dorfes“, so Schmidts Erfahrung. Eintritt ist bei allen Veranstaltungen frei und Platz findet jedermann, auch in Grube. Nur in der Kita „Turmspatzen“ in Eiche, wo ein alter knatternder Filmprojektor Tiergeschichten abspult, oder in der Villa Adlon in Neu Fahrland, die gerade saniert wird und in der Kurz- und Amateurfilme von 1942 bis 2007 gezeigt werden, muss man sich anmelden.
Bis heute sind in den Orten mitunter Spuren von Dreharbeiten zu finden. So gibt es an der Kirche Fahrland ein markantes Portal, das 1936 extra von der Ufa für Dreharbeiten gebaut wurde. Und der Weg zur Kirche wurde für den Kamerawagen asphaltiert. Am 1. Juni gehen nun die heutigen Besucher durch das Ufa-Portal, um Fritz Langs Stummfilm „Der müde Tod“ zu sehen, auf der Kirchenorgel begleitet von Susanne Schaak.
„Es sind auch Dinge in Filmen zu sehen, die es heute nicht mehr gibt“, so Sachiko Schmidt. Im „Zigeunerbaron“, der 1934/35 in Uetz gedreht wurde, sieht man das von Persius erbaute Fährhaus, an dem Königin Luise einst auf ihrem Weg von Berlin nach Paretz übersetzte. Als der Berliner Autobahnring gebaut wurde, kappte man an dieser Stelle die Wublitz. Fortan befand sich Uetz nicht mehr am Wasser. Das Fährhaus steht heute da wie ein Phantom.
Parallel zu den Aufführungen arbeitet das Filmmuseum an der Publikation „Filmstadt Potsdam“, die im Herbst erscheint. Auch darin geht es um die Drehs am Rande und die dortigen Außenaufnahmen. Doch Kino live am Ort der Entstehung gibt es eben nur bei „Land in Sicht“.
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