Kultur: Filmköpfe
Von Liza Minelli über Otto Sander bis zu Gerard Depardieu: Harald Kretzschmar hat sie alle karikiert
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Das ist Barbra Streisand: große Nase, Schatten um die zusammengeniffenen Augen, Lippen, um die kein Lächeln spielt, so wie manchmal in ihren Filmen. Harald Kretzschmar hat die Schauspielerin sehr nachdenklich gezeichnet, fast verbissen. Daneben Liza Minelli. Sexy-Frau. Aus ihrem engen langen Kleid sieht eine Brust heraus. Aus ihren tanzenden Händen steigen Notenschlüssel und Herzen nach oben. Die eine: eine perfekte Exzentrikerin. Die andere: eine immer suchende Kopf-Frau. Seit gestern sind Kretzschmars Porträts in der Ausstellung „Köpfe vom Film“ im Foyer des Filmmuseums zu sehen. Neben Sean Connery, Dustin Hoffmann, Katharina Thalbach und vielen anderen prominenten Köpfen aus der Filmwelt, die der 1931 in Berlin-Steglitz geborene und heute in Kleinmachnow lebenden Zeichner karikiert hat.
Er hebt den Charakter hervor, sagt Kretzschmar über seine mit spitzer Feder gezeichneten Arbeiten: lang gezogene und runde Köpfe, spitze und dicke Nasen, zu Schlitzen geformte oder kugelrunde Augen. Und trotzdem: Seine überzeichneten Gesichter sind nie verzerrt oder fies. Man spürt vielmehr den menschenfreundlichen, schmunzelnden Blick des Künstlers. Wenn man die großen Augen von Katharina Thalbach betrachtet zum Beispiel oder die platte Nase von Harry Belafonte.
Kretzschmar braucht nicht mehr als ein paar Sekunden, um sich die Züge eines Gesichts einzuprägen und in wenigen prägnanten Strichen einen Charakter entstehen zu lassen. „Es ist wie ein Urtrieb“, sagt der Zeichner. Seit seiner Schulzeit karikiert er Menschen, zuerst Lehrer, dann Künstler, Politiker, Leute von der Straße. Dabei ist seine Kunst zu einem großen Teil Intuition. Es passiert, dass sein Gefühl das Denken überholt. Seine Hand bringt etwas zustande, was sein Bewusstsein noch nicht erfasst hat. Das Ergebnis ist dann so etwas wie ein zweiter, tieferer Blick auf einen Menschen – von dem er oft selbst überrascht ist.
Zu den Schauspielern kam der Karikaturist durch das Satireblatt Eulenspiegel. Seit Ende der 50er Jahre hat er die wöchentlichen Filmkritiken von Renate Holland-Moritz mit seinen minimalistischen Porträts bebildert. Mehr als 1300 Filmgesichter dürfte er seit dem für das Blatt gezeichnet haben, schätzt er. 25 dieser Karikaturen sind in der Schau zu sehen. Und sie bleiben auch danach im Filmmuseum. Kretzschmar hat sie dem Haus gestiftet.
Schauspieler sind für den Karikaturisten besonders ergiebige Subjekte: Jeder Mensch ist eine Persönlichkeit, sagt er, aber in kaum einem Gesicht kann man so viel an Gefühl lesen, wie in dem Gesicht eines spielenden Mimen. Kretzschmar hat den tiefen Blick der schönen, italienischen Schauspielerin Ornella Muti eingefangen und die durchtriebene Neugier von Miss Marple. Manfred Krug hat er zweimal gezeichnet: 1967, langweilig glatt, aber immerhin mit markantem Profil. Fast 30 Jahre später dann mit Falten, die sich durch sein Gesicht graben, und umschatteten Augen. Da hat sich was getan in dem Schauspieler, man sieht es.
Es wäre sicher kein Problem gewesen, Manfred Krug zu treffen und „abzuzeichnen“. Wie kommt man aber zu Liza Minelli oder Sean Connery? Das Problem hat sich für den Zeichner nie ergeben. Es ging auch gut ohne Schauspieler. Kretzschmar hat sie auf der Leinwand betrachtet, das hat ihm gereicht, sagt er. Was er dort von ihnen gesehen hat, war oft viel intensiver als ihre Gesichterspiele im realen Leben: Das hat er ausprobiert. Er hat sie besucht, sich ihnen gegenüber gesetzt. Oft war er enttäuscht.
Zu DDR-Zeiten hatte Kretzschmar viel zu tun, er arbeitete für Zeitungen und Zeitschriften, illustrierte Bücher. „Nur Politiker zu zeichnen, war damals ein bisschen schwierig“. Seit der Wende sind die Aufträge weniger geworden. Er stellt seine Werke aus, illustriert Bücher, karikiert bei Silvesterpartys. Auch das macht ihm Spaß. Er bringt die Leute zum Lachen, versucht viel Ausdruck aus ihnen herauszukitzeln. Dann zeichnet er mit wenigen Strichen ihr zweites Gesicht aufs Blatt. Marion Hartig
Ausstellung im Foyer des Filmmuseums, bis 12. 2.
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