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Kultur: Filmkünstlerische Lichtblicke

Preisträger des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im Luisenforum

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Preisträger des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im Luisenforum Von Götz J. Pfeiffer Filmsequenzen flackern über Wand und Bildschirme. Stimmen und Geräusche tönen durcheinander. Zuerst nur schwer einander zuzuordnen, füllen sie den kargen Raum. Man kann und sollte es nicht ignorieren: Im Brandenburgischen Kunstverein hat filmische Kunst ihren Einzug gehalten. Gezeigt werden je zwei Arbeiten der Hamburgerin Jeanne Faust und des in Berlin lebenden Omer Fast. Beide erhielten einen Förderpreis der Sparte Bildende Kunst, den der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V. alljährlich an junge Künstler auslobt. Diesmal war „Film“ das Thema. Verliehen wurde der Preis auf der Vernissage im Luisenforum. Damit nicht genug der klingenden Namen, wird die Ausstellung nach ihrer ersten Station in Potsdam zunächst im angesehenen Kunstverein Frankfurt, danach in der Münchner Pinakothek der Moderne zu sehen sein. Kuratoren dieser Häuser saßen wie Jeanette Niebelschütz, 1. Vorsitzende des hiesigen Kunstvereins, in der Jury unter Vorsitz von Dr. Arend Oetker. In dreimaliger Sitzung wurden aus 53 Einreichungen die Preisträger ausgewählt. Alle Bewerber waren unter 35 Jahre alt. Wenig davon muss der Besucher der „ars viva“, „lebende Kunst“, genannten Ausstellung zum Verstehen der Arbeiten wissen. Von Nöten ist allerdings, sich von einem ausliegenden Blatt die Konzepte des Ausgestellten anzulesen. Man wüsste sonst nicht, dass Fasts Video „Spielberg’s List“ Sequenzen aus Spielbergs Shoah-Epos mit gefilmten Dokumenten des realen Vorbilds und Erlebnissen der Statisten konfrontiert. Unbekannt wäre auch, dass die vier Bildschirme in „A Tank Translated“so zueinander stehen, wie die vier befragten Panzersoldaten in ihrem israelischen Kettenfahrzeug saßen. Gerade diese Arbeit lässt bedauern, dass keine überzeugende sinnlich erfahrbare Umsetzung des intelligenten Konzeptes gelang. Banal ist Fausts Arbeit „Tx-Loop“. Der Titel erinnert an den amerikanischen Staat Texas und die Endlosschleife der 4-Minuten-Sequenz. Der Effekt eines Blickes durch die hitzeflirrende Luft verpufft schnell. Das langsam heranfahrende Auto und die aussteigenden Personen, eine undeutliche Handlung – es soll ein Mord sein – und das darauf enteilende Auto können nicht die gewollten Bildbrücken zu Roadmovies herstellen. Und auch die Erläuterungen zu „Interview“ – um weitere Texte vermehrt auch im ansprechenden Katalog – machen kaum neugierig auf das 9-Minuten-Video: Sie habe einen Interviewfilm mit dem Schauspieler Lou Castel machen wollen; „Tatsächlich entstanden ist ein anderer Film.“ Welcher möchte man weder sehen noch wissen. Fausts Filme können gerade im Vergleich mit der überzeugenden Qualität von Fasts Arbeiten nicht bestehen. Mit 65 Minuten und ruhiger Kameraführung erscheint „Spielberg’s List“ zunächst als Dokumentarfilm, von üblicher Rezeption dadurch unterschieden, dass auf zwei Bildschirmen mit einander synchronisierte Videos ablaufen. Die bei Filmen historischer Sujets immer wieder diskutierte Vermischung realer und fiktionaler Ebene findet in Aufnahmen des alten Lagers und Bildern der unweit davon für den Film errichteten Bauten eine überzeugende Visualisierung. Im Interview zeigt sich einer der Statisten überrascht, er habe zum Dreh die Fotokopien der originalen Schindler-Listen in Händen gehalten. Wie das Realität simulierende Abbild als Original genommen wird, dokumentieren auch die Bilder von „Schindler’s-List-Touren“, bald nach Drehende und Kinostart beginnenden Führungen, die zum originalen, aber auch zum nachgebauten Lager führen. Die schon mit den Filmdrehs einsetzende Belebung von Kazimierz, dem jüdischen Ghetto Krakaus, erscheint befremdlich bis zur Anstößigkeit und stimmt ausgesprochen nachdenklich. Findet sich hier ein Teil des von Norman G. Finkelstein als „Holocaust-Industrie“ bezeichneten Erinnerns an die Judenvernichtung? Im gleichen Horizont von Vorbild, Abbild und möglicher Manipulation bewegt sich Fasts Arbeit mit den Interviews der vier jugendlichen Panzersoldaten. Um die räumliche Anordnung der Bildschirme zu erklären, wäre eine environment-artige Ergänzung angeraten gewesen. Der israelische O-Ton der Interviews, Fragen wie Antworten werden in Unterzeilen übersetzt. Dabei sind einzelne Worte gegen andere getauscht oder ausgeblendet. In englischer Übersetzung wird aus dem Adrenalinstoß, den der Schütze beim Schuss der Kanone empfindet, die Sucht, die er angesichts laufender Kamera fühlt. Aus dem Videospiel, mit dem ein anderer die Fahrt im Panzer verglich, wird das harmlose Wortspiel, das Fast geschickt und eindrucksvoll mit den Texten treibt – ein Lehrstück der Medienmacht. Für die Ausstellung gilt glücklicherweise nicht, was der Kunstverein in seinem aktuellen „Newsletter“ leicht missverständlich feststellt: „die bildende Kunst ist nach wie vor im Land Brandenburg unterbelichtet“. Zu unterstreichen ist, dass nicht die Kunst und damit ihre Schöpfer „unterbelichtet“ sind, wohl aber künstlerische Arbeit und Arbeiten zu wenig präsentiert werden. Der Kunstkreis der deutschen Wirtschaft fördert seit 1953 nachhaltig die bildende Kunst. Jüngst stellte er wider jede marktwirtschaftliche Effizienz fest: „Kultur ist eine andauernde Investitionspflicht“. Die Ausstellung ist unzweifelhaft ein Lichtblick filmischer Kultur. „ars viva“, bis zum 2. November im Luisenforum, Brandenburger Str. 5. Geöffnet: Di-So 12-20 Uhr.

Götz J. Pfeiffer

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