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Kultur: „Fliegende Zeichen“

Die Iranerin Shala Safarzadeh stellt in der Galerie Ruhnke aus: Ihre Inspiration ist die Kalligrafie

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Kalligraphie scheint ansteckend zu sein: Als das Ethnologische Museum in Berlin-Dahlem im vergangenen Jahr „Moderne Kalligraphie persischer Künstler“ zeigte, sprang die Begeisterung der Ausstellungskuratorin Ingrid Pfluger-Schindlbeck auch auf Karin Tondorf von der Potsdamer Galerie Ruhnke über. Für sie war die Begegnung mit der persischen Kalligraphie so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Dabei hatte sie ihr Auge ganz besonders auf die in Berlin lebende Künstlerin Shala Safarzadeh geworfen. Auch Werner Ruhnke, der von Haus aus eine Vorliebe für die zeichenhafte, im Ungegenständlichen bleibende Kunst in sich trägt, konnte der Begeisterung seiner Frau für die Handschrift Safarzadehs nicht widerstehen. Das Resultat der Zusammenarbeit zwischen der Ethnologin, der Künstlerin und dem Galeristenpaar ist nun unter dem Ausstellungstitel „Fliegende Zeichen“ in einer Präsentation von 39 Bildern, Grafiken und Objekten zu sehen.

Sensible Papierarbeiten in allen Größen, ausgeführt als Radierung oder als Tuschzeichnung auf Bütten, großformatige Leinwände und Objekte aus bemaltem Holz dokumentieren das vielgestaltige Ausdrucksspektrum der Künstlerin.

In die Kalligraphie, die bis heute für alle persischen Schulkinder verbindlich auf dem Lehrplan steht, wurde die 1960 in Teheran geborene Shala Safarzadeh durch ihren Vater eingeführt. Als sie in späteren Jahren den künstlerischen Weg einschlug, wurden die verschlungenen Schriftzeichen für sie zum Ausgangsmaterial einer Bildsprache mit eigenwilliger Handschrift.

Mit der traditionellen Kalligraphie hat sie nur noch sehr entfernt etwas zu tun. Statt sich den traditionellen Schreibkonventionen der Schriftkunst zu unterwerfen, malt, zeichnet, schreibt Safarzadeh, wie es kommt: mal mit rechts, mal mit links, häufig auch mit beiden Händen gleichzeitig. Manchmal auch mit geschlossenen Augen spürt sie dem Weg, den die Kalligraphie ihr als Kompass und Vehikel ihrer inneren Reisen weist, nach. Selbstauferlegte Kontrollmechanismen würden da dem spontanen Gestaltungsprozess nur störend im Wege stehen.

Was unter ihren Händen auf Papier, Leinwand oder Holz entsteht, ist letztendlich immer eine gewollte Komplizenschaft mit dem Zufall. „Ich plane nie“, kommentiert Shala Safarzadeh selber ihre ohne ein festes Konzept sich vollziehende Arbeitsweise und beschreibt weiter, wie sie auf ihrer „Suche nach Antworten“ bestrebt ist, immer neue formale Lösungen und Ausdrucksmöglichkeiten auszukundschaften. Die in der Kalligraphie traditionell verwendete Rohrfeder ist ihr da genauso recht wie schwarze Kohle oder ein einfaches Stück Holz. Die Texturen, mit denen die Künstlerin Leinwände, Bütten, Kugeln, Würfel und Holztafeln bedeckt, leben von konvulsivischen Zeichenwirbeln und energisch gesetzten Kürzeln. Sie verleihen ihren inneren Regungen und Impulsen unmittelbaren Ausdruck und legen eine sich im flirrenden Zeichengewirr aufgehende Spur. So manche Arbeit wird in ihrer vielgestaltigen Kleinteiligkeit zum Vexierbild, in denen man vereinzelt kleine Figuren zu erkennen glaubt.

Dennoch sind die überwiegend unbetitelten Bilder und Objekte Safarzadehs nie anekdotisch und verharren konsequent in der Abstraktion.

Zweifelsohne ist die Künstlerin in Bezug auf die Kalligraphie inspiriert von der Tradition, dennoch distanziert sie sich auch sehr bewusst von ihr. Mit dieser Haltung stößt sie auch in ihrer Heimat auf positive Resonanz, was für unsere vagen Vorstellungen von den Bedingungen im Iran nicht so ohne weiteres selbstverständlich ist. Den hierzulande eher mageren Kenntnissen über die Lebensverhältnisse im Iran und darüber hinaus möchte Werner Ruhnke künftig etwas entgegensetzen: durch weitere Projekte über Kunst und Kultur im außereuropäischen Kontext.

Einen ersten Schritt in diese Richtung unternimmt die Galerie mit einem für den 23. April angekündigten Vortrag, den der Kalligraphie-Experte Andreas Wald vom Pergamon-Museum halten wird. Mehr als einen Blick über den Berlin-Brandenburger Tellerrand hinaus in die Kunst anderer Kulturräume zu werfen, ist für die Galerie Ruhnke erklärtes Ziel. Almut Andreae

Die Ausstellung „Fliegende Zeichen“ mit Werken von Shala Safarzadeh in der Galerie Ruhnke endet am 7. Mai. Do-So 14-19 Uhr.

Almut Andreae

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