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Kultur: Fluch der Ostsee

Mit „Käpten Magic“ ist das zweite Jugendbuch der Potsdamer Autorin Grit Poppe erschienen

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Autoren von Kinder- und Jugendbüchern, findet Grit Poppe, ständen immer ein wenig im Schatten ihrer für „Erwachsene“ schreibenden Kollegen. Dabei zeigen Erfolge wie Jostein Gaarders „Sofies Welt“ und natürlich Joanne K. Rowlings „Harry Potter“, dass es für einige Bücher keine Altergrenze zu geben scheint. Eigentlich gibt es nur gute und schlechte Bücher. Oft ist sogar der kritische Blick der jugendlichen Leser um einiges schärfer und unerbittlicher als der ihrer Eltern.

Darum sagt dann auch die 41-jährige Autorin, sie würde für Jugendliche nicht anders schreiben als für Erwachsene. „Nur, dass ich hier nicht so realistisch sein muss.“ In ihrem vom Feuilleton äußerst positiv aufgenommenen literarischen Debüt für „Erwachsene“, dem mit schwarzem Humor verfassten „Andere Umstände“ (Berlin Verlag), gelang ihr – ganz nebenbei – ein realistisches und unaufgeregtes Bild der Wendezeit. In Käpten Magic, ihrem gerade im Dressler Verlag erschienenen zweiten Jugendbuch, trifft der Alltag nun plötzlich auf eine ferne Fantasiewelt. Ganz wörtlich ist das zu verstehen. Auf einmal steht der junge Held Tobias einem zotteligen Küstenräuber gegenüber, der auch noch ein Meerschwein in den Händen hält, das dem Kind sehr bekannt vorkommt. Das Leben des jungen Einzelgängers, der in der Schule ständig gehänselt wird und keine Freunde besitzt, wird durch diese Begegnung auf den Kopf gestellt. Und alles nur, weil er eines Tages am Strand eine alte Münze und eine „Magic-Karte“ gefunden hat. Der bärbeißige Kapitän der Dreimastbark „Montezuma“ ist irgendwie aus der Welt der „Magic-Karten“ gestiegen und in der tristen Plattenbautenwelt von Tobias, seiner Mutter und seiner Schwester Tillie aufgetaucht.

Für alle Großen, die nicht wissen sollten, worum es sich bei den äußerst populären Karten handelt: Tatsächlich sind die „Magic-Karten“ ein Massen-Phänomen ganz abseits von Computerspielen und Internet. Das Rollenspiel besteht aus Sammelkarten, auf denen Fantasiefiguren vorgestellt und mit ihren Eigenschaften beschrieben werden. Wie bei den Auto-Quartett-Spielen kann man die abgebildeten Fantasiefiguren gegeneinander antreten lassen. Kinder scheinen Stunden damit verbringen zu können, diese Karten untereinander zu tauschen und in dicken Alben zu sammeln. Als Mutter zweier Kinder wusste Grit Poppe, wie heiß begehrt diese Karten unter den Kids sind. Was lag einer Schriftstellerin näher, als der Frage nachzugehen, was passieren würde, wenn eines der Fabelwesen in das Grau des Alltags hineinbrechen würde?

Käpten Magic ist dabei nicht der starke Superheld, sondern ein eher sensibles Fabelwesen, das sich mit Straßenbahnen und den Gepflogenheiten in deutschen Gastwirtschaften schwer tut. Jemand, der sich wegen der mit seiner aktuellen Umwelt nicht zurecht kommt und sich in seine eigene Welt zurücksehnt. So kann er keine Hilfe für Tobias sein, dessen Probleme mit dem fiesen Mitschüler Oliver zu lösen. Und dennoch trägt der Seemann viel dazu bei. Der Junge, der sich daran macht, der durch Magie in eine fremde Welt gelangte Figur wieder zurück zu verhelfen, erlebt ein großes Abenteuer und lernt dabei ganz nebenbei, wie stark er selbst sein kann.

Löblich, dass Grit Poppe bewusst auf eine offenkundig pädagogische Botschaft verzichtet hat. Hier ist das Leben mit seinen Nöten, aber auch Überraschungen der beste und glaubwürdigste Erzieher. Die Geschichte ist durchgehend spannend und eignet sich, der gesamten Familie vorgelesen zu werden. Poppe hat hier modernes Seemannsgarn gesponnen und damit den Schatz gehoben, den die Mythen der Küstenregion um Seefahrer, Piraten und Klabautermann für packende Storys in sich bergen. Nicht „Fluch der Karibik“, sondern „Aufruhr an der Ostsee“ heißt es bei der in Boltenhagen aufgewachsenen Norddeutschen.

Grit Poppe hat dabei in Käpten Magic Figuren erschaffen, die man gerne wieder träfe. Wie sieht es im Reich des Käptens aus? Was geschähe, wenn Tobias auch in die Welt der „Magic-Karten“ reisen würde? Diese Fragen drängen nicht nur den jungen Leser und sollten der Autorin Ansporn sein, schon bald einen zweiten Band folgen zu lassen.

Grit Poppe, Käpten Magic, Dressler Verlag, 12 Euro

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