Kultur: Flüchtig und wandelbar
Die Baselitz-Schülerinnen Susanne Ludwig und Caro Stark stellen in der Galerie Bauscher aus
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Er wirkt müde, dieser riesige, am Boden gestreckte Eisbär. Von seiner kraftstrotzenden Vitalität ist nicht viel zu spüren. Und auch die Blümchen, von denen er übersät ist, machen ihn offensichtlich nicht glücklich. Sie sind Zeichen der zunehmenden Verlandung, die ihm den Lebensraum nimmt. Der Klimawandel rückt dem Pelztier zu Leibe. Es ist nicht Knut, von dem sich die Malerin Caro Stark inspirieren ließ, auch wenn die gebürtige Schwäbin schon lange in Berlin lebt. In Kanada hat sie diese Tiere immer wieder stundenlang studiert, war fasziniert von den Einzelgängern und zugleich erschüttert, wenn sie auf Müllkippen nach Nahrung suchten und ihren Weg in die Sommergründe nicht mehr allein fanden.
Nun hängen zwei dieser bedrohten Prachtexemplare wandeinnehmend in der Galerie Bauscher und überraschen in ihrer ungeheuren Plastizität. Die Bilder wirken wie Skulpturen.
Caro Stark arbeitet in vielen Schichten, Nass in Nass. Sie klebt bemalte Flächen übereinander, reißt sie wieder raus – impulsiv, rau und rotzig. Und am Ende von großer Präsenz. Sie will es nicht schön und glatt, die Oberflächen auch auf ihren Plastiken sind rissig, geknetet, geknittert. Oft erinnert der schwarze Ton an erstarrte Lava, den sie mit hellem Steinzeug paart und mit verschiedenartigen Farben bemalt. Bunt bewegt. Einzig die „Zeit“ läuft etwas aus dem Ruder. Sie ist monochrom und wirkt mit Goldfolie überzogen äußerst kostbar. Vorsichtig balanciert die „Zeit“ auf einem Bein, schwankt und knickt ein. Flüchtig, wandelbar.
Caro Stern war Anfang der 80er Jahre Meisterschülerin bei Georg Baselitz an der Hochschule der Künste Berlin. Ebenso wie Susanne Ludwig, die gemeinsam mit ihr derzeit die Ausstellungsräume in der Rosa-Luxemburg-Straße teilt. Zwei Schwestern im Geist, die dem „Übervater“ auch gern mal die Leviten lesen. Aber vor allem sind sie ihm dankbar, dass er ihnen einst Großzügigkeit lehrte.
Caro Stark erinnert sich, wie sie als Studentin akribisch an ihren Figuren feilte. „Dann kam Baselitz, nahm den Pinsel. Zack. Arm. Fertig. Mit einem Strich. Das war sehr befreiend.“ Aber der „Meister“ war viel zu selten da, um seinen Schülern wirklich weiter zu helfen. „Er kassierte ein Riesenhonorar und die Hochschule, die sich mit seinem Namen schmückte, hatte am Ende kein Geld mehr, um die Werkstätten, in denen sich die Studenten ganz im Sinne des Bauhauses genreübergreifend ausprobieren konnten, zu halten. Wir haben Baselitz sehr in frage gestellt“, sagt Susanne Ludwig, die bald andere Meister fand, wie Emilio Vedova, einst Hauptvertreter der italienischen Informel-Malerei. Doch was beide Frauen aus dieser Baselitz-Zeit mitnahmen, war die Auseinandersetzung über Farbe und Figur, die Großzügigkeit und die authentische Art, sich zu geben. Sich nicht zu verstecken und zu verbiegen. Die Künstlerinnen sind während ihrer Ausbildung an der HdK zusammengewachsen, malten nach dem gleichen Modell. Und wenn sie sich heute in der Gegenüberstellung von Glasmalerei und Keramikplastiken auf dem ersten Blick doch sehr unterscheiden, ist ihnen doch eines gemeinsam: Das sich spielerisch immer wieder neu Erfinden – bei allem Respekt vor den Grenzen des Materials.
Susanne Ludwig, in den 90ern Dozentin an der Fachhochschule Potsdam, spielt mit der Zauberkraft des Lichts. Ihre breiten Glasfenster sind von schwebender Leichtigkeit und zutiefst poetisch. Immer wieder ändert sich mit einfallenden Sonnenstrahlen das fragile Zusammenspiel von Himmel und Meer. Man erahnt bewegte Wassermassen und zarte Wolkenschleier. So wie sie selbst hochkonzentriert und fast meditativ ihre Farbe auf das Glas fließen lässt, versinkt auch der Betrachter in diesen Fluss und lässt sich genüsslich davon treiben. Die Malerei, ad hoc mit großen Pinseln ausgeführt, besticht durch Einfachheit und durch feine Nuancierung der Farbe. Selbst das „Schwarzlot“ auf dem neuartigen Floatglas, über das sie mit ihrem Pinsel förmlich schwebt, hat etwas Warmes.
Und es korrespondiert aufs Beste mit den schwarzen Göttinnen von Caro Stark: mit „Helena“, in deren Kleid alle Szenen des Mythos von Troja eingeritzt sind – fast so verborgen wie die Soldaten im Trojanischen Pferd. Caro Starks Figuren, die den Galeriegarten fast in eine Zirkusmanege verwandeln, wirken auf dem ersten Blick heiter-burlesk. Doch wenn man sich ihnen nähert, dem dicken Elefanten auf der kleinen Trommel, die unter ihrer Last fast zusammenbrechenden Kamele oder der auf ihrem drehenden grünen Segel vom Absturz bedrohten Glücksgöttin Fortuna, spürt man immer auch das Bedrohliche. Nicht nur der Eisbär geht in die Knie.
Zu sehen bis 23. Dezember, Rosa-Luxemburg-Straße 40, freitags und samstags 12 bis 18 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung ( Tel (033)-710319
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