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Von Heidi Jäger: Flug in die Dunkelheit

Peter Rohns „Flugschiff“ soll vorerst ins Depot / Der Maler hatte es immer schwer mit seiner Kunst

Stand:

Das „Flugschiff“ am Reisebüro droht abzustürzen. Wenn im Mai das Hochhaus am Platz der Einheit abgerissen und einem Neubau weichen wird, muss dieses Kunstwerk von Peter Rohn an anderer Stelle landen. Nach bisherigen Überlegungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „Pro Potsdam“ hieß es, dass die 7 mal 4,50 Meter große Arbeit die Wand an der Sparkasse in der Heinrich–Rau-Allee einnehmen könnte (PNN berichteten). Das machte den Künstler berechtigterweise skeptisch. Mit ausgestrecktem Arm wäre dort die Metallskulptur erreichbar, und wohl geradezu eine Einladung für Kunst-Rabauken. Außerdem ist die Fläche für den „freien Flug“ zu klein und sorgt auch durch seine Kästchenaufteilung für optische Turbulenzen. Es wäre zudem nur eine kostspielige Zwischenlandung, denn schließlich soll dieses Potsdamer Mitte-Areal ebenfalls saniert werden.

Es ist fast 40 Jahre her, dass der Maler sein „Flugschiff“ für das „Haus des Reisens“ entwarf, das von Metallgestalter Christian Roehl in Kupfer und Edelstahl geschmiedet wurde. Es habe ihn damals viele Kämpfe gekostet, bis es zur Anbringung kam. „Meine halb-abstrakte Darstellung entsprach nicht den Vorstellungen der Obrigkeit.“ Keinesfalls wollte er aber gängige Klischees bedienen und etwa eine Bulgarin mit Weintrauben in der Hand als Frohlockung des Südens winken lassen. Er ließ sich lieber von Märchen und von Visionen des Weltenbummlers Jules Verne inspirieren. Anfangs habe er ganz abstrakt gedacht, dann beseelten ihn fliegende Fische und Vögel in Luft und Wasser. „Irgendwann sind sie zu menschlichen Antworten geworden: zu Schiff und Flugzeug.“ Hunderte Entwürfe gingen voraus, bis sich eines Tages das „Luftschiff“ erhob.

Nun könnte es allerdings in der Dunkelheit verschwinden. Auf Anfrage beim Kulturamt hieß es gestern, dass das Kunstwerk zunächst ins Depot abwandern soll. Gemeinsam mit dem Beirat für Kunst im Öffentlichen Raum seien mögliche Flächen geprüft worden, von denen bislang aber keine geeignet erschien. Die Suche werde fortgesetzt, zumal sich das „Flugschiff“ auf der Prioritätenliste für Kunst im Öffentlichen Raum befinde, so die Auskunft vom Presseamt.

Natürlich ist es nicht der Job von Peter Rohn, sich um den Verbleib seines Kunstwerkes zu kümmern. Dennoch liegt ihm sein „Flugschiff“ natürlich am Herzen. Er ist schon viel herumgeradelt, um selbst einen neuen wirkungsvollen Platz zu finden. Am liebsten wäre ihm der entstehende Flughafen Berlin-Brandenburg. Aber auch in der Schiffbauergasse sähe er mögliche Ankerplätze: am schwarzen Bühnenturm des Theaters ebenso wie vielleicht am Parkhaus. In jedem Fall brauche es die Zustimmung des Architekten.

Peter Rohn hatte es nie leicht mit seiner Kunst: nicht vor und auch nicht nach der Wende. In der DDR eckte er mit seinen zu düsteren Bildern an, weil sie nicht den verordneten Optimismus versprühten. Danach waren sie nicht verkaufsträchtig genug. Er blieb sich dennoch treu. Selbst bei der Hauswandgestaltung „Adam und Eva“ am Kiewitt malte er sein geheimes Zeichen hinein: Einen kleinen grünen Baum. „Ich sah mich als Teil der weltweit grünen Bewegung, die nach 1968 zu wachsen begann.“ Mit seinem „Rauchenden Container in der Nacht“ wurde er noch deutlicher. Er floh nicht in die Mythologie, wie viele seiner großen ostdeutschen Kollegen. Dafür bekam er aber auch weniger Aufträge. Peter Rohn malte immer seltener. Er versenkte sich dafür in die Arbeit als Lehrer an der Fachschule für Werbung und Gestaltung. „Ich sah den schleichenden Kulturverfall und wollte ihn nicht stumm hinnehmen.“ Und so nutzte er seinen Unterricht, um seinen Studenten einen weiten Kulturblick einzuschärfen.

Als die Mauer fiel, war der Maler völlig unfähig zu arbeiten. „Es war eine so gewaltige Veränderung. Ich lebte schließlich nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Ereignissen und musste mich neu sortieren.“ Doch er schaute nicht, was im Westen in der Kunst angesagt war, sondern blieb weiter bei sich. Erst 2004, zu seinem 70. Geburtstag, bekam er gleich zwei große Ausstellungen: im Alten Rathaus und in den Römischen Bädern. „Und ich habe sogar verkauft. In den Westen“, sagt er mit verschmitztem Lächeln. Zurzeit male er etwas ganz Zurückgenommenes, einen Jahreszeiten-Zyklus: „50 Bäume in kleinem Trupp. Bäume fehlen schließlich überall. Und plötzlich ist so ein Wäldchen wie eine Gruppe Menschen.“ Der umtriebige Peter Rohn, der intensiv die Kulturszene verfolgt, will nicht erfreuen, sondern seine persönlichen Antworten geben auf Themen, die ihm unter den Nägeln brennen.

Und seine nächsten Bilder werden sicher nicht heller: Er reagiere auf die Zeit, mit der Ehrlichkeit des Realisten. „Ich male nicht ab, aber ich bin deutlich. Im Moment stehen wir wieder an der Stelle, wo wir uns fragen müssen, wie es weiter geht. Den Westen haben wir als Alternative verloren. Und hinter dem Westen ist nicht noch ein zweiter, der golden glänzt. Entweder: wir gehen in eine mafiöse Endzeit oder wir beginnen bei Null.“ Sein Plädoyer lautet: den Blick von Europa auf die ganze Welt ausweiten, soziale Programme verabschieden und Wälder aufforsten, wo immer es geht. Statt schneller, höher, besser ist er für langsamer, überlegter, solider.

Im Herbst wird es eine neue Ausstellung von Peter Rohn geben: Im Babelsberger Schloss zeigt er seine Fotografien von der Mauer. Er hat im Herbst 1989 nicht die jubelnden Massen abgelichtet, sondern sah dort hin, wo es still war. Doch seine Arbeiten reden umso „lauter“. Und gehören keinesfalls in ein Depot.

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