Kultur: „Fluxus+“ in der Schiffbauergasse
Mäzen Heinrich Liman und Oberbürgermeister Jann Jacobs stellten ein Museums-Projekt für Moderne Kunst vor
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Mäzen Heinrich Liman und Oberbürgermeister Jann Jacobs stellten ein Museums-Projekt für Moderne Kunst vor Von Klaus Büstrin Wolf Vostell – mit diesem Namen verbinden sich Erinnerungen an künstlerische Aufbrüche in den sechziger Jahren, an Environment, Happening, Fluxus und Installationen mit Fernsehgeräten, an Avantgarde und Skandal. Warum sollte man Vostells Kunst nicht in Potsdam präsentieren, in einer Stadt, in der vor allem die Kunst aus vergangenen Zeiten ein Zuhause hat, fragte sich Heinrich Liman, Geschäftsführer der BMS excursion. Dies würde das Angebot erweitern und wäre auch für die vielen Touristen, die sich in Potsdam täglich die Klinke in die Hand geben, attraktiv. Mit seiner Firma wird Liman aus Berlin nach Potsdam in die Schiffbauergasse ziehen, in ein Automobil, in dem nicht nur sieben Mitarbeiter Platz haben sollen, sondern bis zu 300 Gäste, tagtäglich. Denn die Firma, die sich mit Regional- und Stadtplanung beschäftigt, will zwischen neuem Theater und Waschhaus das Museum „Fluxus+“ eröffnen. In diesem Auto. Vor allem Werke von Vostell sollen gezeigt werden. Welche, darüber will sich der künftige Museumschef noch nicht äußern. Vostell hatte sich in seinem Schaffen mit dem Auto als Kunstobjekt beschäftigt. Auf dem Berliner Rathenau-Platz beispielsweise ist seine Auseinandersetzung mit den Luxuslimousinen Cadillacs zu sehen – eine Plastik von 1987, die heute noch für Aufsehen sorgt. Wolf Vostells Arbeiten waren und sind stets eine Interpretation der Themen, die in unserer Wirklichkeit dominieren: Auto, Fernsehen, politische Umwälzungen oder Chaos. Heinrich Liman, Potsdams Oberbürgermeister Jann Jacobs und Erich Jesse vom Sanierungsträger Potsdam stellten gestern das Museums-Projekt der Presse vor. Jesse habe, wie er sagte, Liman und Jacobs von der Idee einer ständigen Fluxus-Ausstellung überzeugen können. Das neue Museum soll im Sommer des kommenden Jahres eröffnet werden, in dem überdimensionalen Fahrzeug mit einer Länge von 50 Metern, einer Breite von 20 sowie einer Höhe von gut elf Metern sowie signifikanten Automobilmerkmalen. Das Material des Autos: Aluminium. Somit bekommt Potsdam eine neue, doch sehr innovative „Blechbüchse“. „Durch den Kühler wird man das Museum betreten. Auf 1600 Quadratmetern Fläche, verteilt auf zwei Stockwerke, kann man die Kunst betrachten. Ein Museumsshop verkauft Originale für den „dicken und den spärlicheren Geldbeutel“, so Liman. Die Aufmerksamkeit soll natürlich in erster Linie den Werken der Dauerausstellung gelten. Heinrich Liman war viele Jahre, seit seiner Studienzeit, mit dem „Hauptkünstler“ befreundet. Wolf Vostell starb 1998 in Berlin. Liman fand Zugang zu dem eigenwilligen Werk des Künstlers, der zugleich Maler, Bildhauer, Komponist und Videokünstler war. Somit wurde er schon mit jungen Jahren Mäzen. Er kaufte etliche Werke des Freundes und dann auch anderer Künstler. Die private Sammlung und die der Firma umfasst einen Querschnitt des umfangreichen Lebenswerkes von Vostell. „Es geht in der Schau nicht um die raumgreifenden großen Werke, sondern eher um kleinere“, sagt der Mäzen. „Dennoch wird ein großes Spektrum des Fluxus-Künstlers vorgestellt.“ Fluxus ist eine Kunst, die mitten in den Handlungen des Alltags entdeckt wird. Der US-Amerikaner Georges Maciunas, der in den sechziger Jahren in Darmstadt für eine Armeezeitung arbeitete, ist der Ideengeber für diese Kunstrichtung. Auch Wolf Vostell und der Komponist Karlheinz Stockhausen haben sich intensiv mit ihr beschäftigt. „Fluxus" bezeichnet die Aktivitäten dieser Künstler. Im Wörterbuch wird Flux „als Akt des Fließens, eine kontinuierliche Bewegung oder Entschwinden, wie bei einem fließenden Strom, eine andauernde Folge von Veränderungen“ bezeichnet. Zunächst fanden sogenannte „action music“-Abende statt, die weniger Musik als Performance-Elemente enthielten. Man inszenierte dadaistische Szenen, bei denen Musikinstrumente und deren Manipulation eine Rolle spielten. Museen, die ausschließlich Arbeiten von Fluxus-Künstlern beherbergen, gibt es derzeit nur in noch in Spanien Aber nicht nur Vostell wird im privaten Museum Eingang finden. Heinrich Liman bringt auch Werke von solch renommierten Künstlern wie Christo, Niki de St. Phalle oder Emmet Williams nach Potsdam. Ergänzt wird die Dauerausstellung schließlich mit aktuellen Präsentationen junger Künstler. „Gut eine Million Euro wird das Projekt kosten“, sagte der Geschäftsführer von BMS excursion GmbH. „Es wird ohne jegliche Förderung privat finanziert“. Das neue Museum soll aber nicht die Potsdamer Kunsthalle, die dringend benötigt wird, ersetzen, versicherten der Oberbürgermeister und die anwesende Beigeordnete Gabriele Fischer. „Wir sind dazu im Gespräch. Vielleicht könnte sie eines Tages am Alten Markt oder anderswo stehen“, so Jann Jacobs. Gestern Abend wurde das neue Museumsprojekt dem Kulturausschuss vorgestellt.
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