Kultur: „Fragt uns: Wir sind die Letzten“
Producer Uwe Fleischer hilft angehenden Mediengestaltern sowie DEFA-Filmen auf die Sprünge
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Er kennt alle Tricks. Vielleicht gehört er auch dadurch zu den wenigen DEFA-Leuten, die noch immer im Filmgeschäft Babelsberg mitmischen. Zwar wurde auch Uwe Fleischer nach der Wende „outgesourct“, doch inzwischen hat er wieder seinen Platz im Studio gefunden. Seine Erfahrungen als alter DEFA-Hase kommen ihm dabei bestens zugute: denn seine Arbeit dreht sich noch immer um Filme aus DDR-Zeiten. Die sind wieder gefragt und werden von der Firma Icestorme Berlin auf DVD gebrannt. Producer Uwe Fleischer reichert gemeinsam mit Azubis für Mediengestaltung der Studio Babelsberg AG diese ausgewählten Filme mit Bonusmaterial an, also mit aktuellen filmischen Zutaten.
Seine neuen Partner sind dabei oft die alten. „Da ich von den ehemals 2400 DEFA-Mitarbeitern wenigstens 1200 kannte, verflechten sich heute die Geschichten auf spannende Weise.“ Gerade stand Hermann Zschoche vor der Kamera, um seinen Film „Grüne Hochzeit“ aus dem Jahre 1988 mit Anekdoten von den damaligen Dreharbeiten zu würzen. Er hatte sich damals die noch blutjunge Anja Kling als Hauptdarstellerin ausgewählt. Und natürlich wurde auch sie von den angehenden Mediengestaltern für Bild und Ton zu ihrer damals ersten Rolle befragt. Und wenn am Samstag im Filmmuseum anlässlich der Kunst-Genuss-Tour die Filmfamilie Kling zu Gast ist, darf das Bonusmaterial über sie ebenso wenig fehlen wie über Schwester Gerrit zu „Schräge Vögel“.
Einer, der zu den längsten und besten Bekanntschaften Fleischers gehört, ist Rolf Hoppe. „Ihn hatte ich schon 1974 bei dem Film ,Hans Röckle“ vor der Kamera.“ Damals arbeitete Uwe Fleischer als Standfotograf bei der DEFA. Er musste von den DDR-Stars tolle Fotos machen, um sie wirksam in die Werbung zu geben. „Ich habe damals ganze Alben voll geklebt.“ Renate Blume und Simone von Zglinicki waren neben Rolf Hoppe seine Lieblingsgesichter. Nebenher qualifizierte er sich an der Filmhochschule Babelsberg zum Ingenieur für Film- und Fernsehtechnik und schließlich zum Diplomkameramann. Und er verschrieb sich mit Leib und Seele der imaginären Welt: Als er 1981 Chef der DEFA-Trickabteilung wurde, konnte Uwe Fleischer diese Leidenschaft bestens ausleben. Es gab viel zu tun, vor allem die Märchenfilmregisseure bauten auf Trick, wie Rolf Losansky in seinem „Schulgespenst“ oder Walter Beck im „Prinz hinter den sieben Meeren“. Ein Kapitel, das Uwe Fleischer noch lange nicht abgeschlossen hat. Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte er gemeinsam mit Helge Trimpert das Buch „Wie haben Sie“s gemacht?“ und lässt die Leser in die Trickkiste Babelsberger Kameramänner blicken, deren Ziel die perfekte Illusion war. „1993 wollte Schlöndorff die Trickabteilung nicht mehr im Verbund mit den Studios haben. „Also gründete ich gemeinsam mit Jürgen Ristow, dem abgewickelten Chef der DEFA-Forschung und Entwicklungsabteilung, das erste digitale Bildbearbeitungszentrum: ,Optronic““.
Fleischer schwärmt, wenn er an die 90er Jahre zurück denkt: „Wir machten große Filme mit viel Platz für Trick: ,Die unendliche Geschichte“ oder ,Eine Couch in New York“ mit Juliette Binoche. Dafür bauten wir eine 20 Meter lange Silhouette als Modell von New York.“ Ihr Motto lautete dabei „Für einen Trickkameramann ist nichts unmöglich. Wir haben in Babelsberg immer den traditionellen Trick bedient, waren dann aber auch beim digitalen Fortschritt an der Spitze.“ Fleischer gibt sein Wissen nicht nur an die Studenten der HFF weiter, er wird auch zu Ausstellungen und Vorlesungen in aller Welt eingeladen, nach Paris oder Hongkong.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends ist es ruhiger im Babelsberger Filmgeschäft geworden, Fleischer verabschiedete sich von Optronic und wurde Produzent: erst bei der Studio Fünf Fernsehproduktion, dann, nach dem Verkauf von Vivendi an Woebcken und Fisser, landete er wieder beim Studio Babelsberg. 26 Folgen der animierten Bildergeschichte vom „Kleinen Raben Socke“ für die ARD gehen u.a. auf sein Konto zurück.
Das Icestorme Entertainment, das über die Exklusivrechte der DEFA-Filme verfügt, öffnete ihm schließlich neue und zugleich vertraute Horizonte. „77 Titel haben wir inzwischen bearbeitet, neuerdings sind auch russische Filmklassiker dabei, und über kubanische Filme wird ebenfalls laut nachgedacht.“
Mitunter gab es auch schon Kritik an die Kurzbeiträge: dass sie zu unreflektiert seien. „Ich würde nie etwas gegen die Filme und ihre Protagonisten machen, dazu ist das Bonusmaterial nicht da. Wir selbst wollen nicht kommentieren und versuchen auch nicht als Reporter aufzutreten. Wir lassen die Befragten sprechen. Die junge Leute sehen die Zeit auch aus einem anderen Blickwinkel und keiner will Redakteur oder Regisseur werden. Sie müssen technisch versiert sein: Bild, Licht und Ton beherrschen. Und dass sie das nach ihrer dreijährigen Ausbildung können, beweist, dass bislang alle den Sprung ins Berufsleben schafften.
Dennoch versucht Uwe Fleischer mit seiner Jugendriege auch auf gegenläufige Akzente zu setzen. Bei Maetzigs Thälmann-Filmen ließen sie einen Wissenschaftler vom Institut für Zeitgeschichte als Pendant zu Worte kommen. „Übrigens waren die DVDs sofort weg, gekauft von den alten Genossen.“ Die jungen Leute seien immer total beeindruckt von den Persönlichkeiten, die sie filmen dürfen. Wie von dem Spanienkämpfer Kurt Goldstein zu „Fünf Patronenhülsen“: ein Überlebender von Auschwitz. „Goldstein ermunterte die Azubis: ,Fragt uns. Wir sind die Letzten“.“ Und so sind die DEFA-„Jünger“ ständig mit ihrer Kamera auf Achse, eben auch, um Zeitgeschichte festzuhalten: Sie waren beim 95. Geburtstag von Kurt Maetzig im Filmmuseum dabei und drehten den letzten Film mit dem Schauspieler Gerry Wolff, der im vergangenen Jahr starb. Er gab ihnen die Worte mit auf den Weg: „Du darfst die Zeit nicht verplempern.“
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