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Kultur: „Frankreich und Italien galten als unversöhnlich“ Bernhard Forck über einen musikalischen Brückenschlag mit der Kammerakademie Potsdam

Herr Forck, wie würden Sie die musikalischen Beziehungen zwischen Frankreich und Italien im Barock bezeichnen?Die Idee für das Programm unseres Konzerts in der Friedenskirche ist ja, dass Frankreich und Italien zu dieser Zeit zwei große Antipoden waren, völlig verschieden im Musikgeschmack und als unversöhnlich galten.

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Herr Forck, wie würden Sie die musikalischen Beziehungen zwischen Frankreich und Italien im Barock bezeichnen?

Die Idee für das Programm unseres Konzerts in der Friedenskirche ist ja, dass Frankreich und Italien zu dieser Zeit zwei große Antipoden waren, völlig verschieden im Musikgeschmack und als unversöhnlich galten. Das Interessanteste und Amüsanteste an dieser Episode ist, dass der typischste Vertreter des französischen Stils, Jean-Baptiste Lully, gebürtiger Italiener war. Als Giovanni Battista Lulli in Florenz geboren, kam er nach Frankreich und wurde hier zum Vater des Orchesters, der Orchestererziehung. Die 24 Streicher des Königs wurden unter der Leitung Lullys, der als sehr strenger Lehrer galt, zum berühmtesten Orchester seiner Zeit.

Und in Italien?

Das italienische Gegenbild war Arcangelo Corelli, der als Vater des Concerto Grosso gilt, als Geigenvirtuose sehr gefeiert und mit sehr wenigen Werken, die er komponiert hat, weltweit berühmt wurde.

Versöhnung war nicht möglich?

Doch, mit einer Triosonate von François Couperin, in der er Lully und Corelli auf dem Parnass, dem Olymp der Musiker, zusammentreffen lässt. Am Ende versucht er eine Symbiose, in dem er Corelli und Lully zusammenspielen lässt. Hier hat Couperin versucht, in ihrem Stil zu komponieren. Interessant dabei ist, dass der Lully gewidmete Teil im französischen Schlüssel, der Corelli gewidmete Teil im italienischen Schlüssel geschrieben ist. Aber trotzdem bleibt diese Triosonate ein sehr französisches Stück.

Lag dieser unversöhnliche Gegensatz in der Musik vor allem in den politischen Systemen begründete? In Frankreich war der Hof Ludwigs XIV. das Zentrum, in Italien waren es vor allem Geistliche, die entsprechende Kompositionsaufträge gaben.

Ja, dementsprechend spielte in der französischen Musik auch der Tanz eine viel größere Rolle als in der italienischen Musik. Frankreich war durch das Zentralistische des Hofes geprägt. In Italien war im Grunde jede Stadt ein eigenes Universum, waren die Unterschiede beispielsweise zwischen Rom oder Neapel, Venedig oder Florenz sehr deutlich. Das waren eigene Zentren, in denen sich unterschiedliche Stile entwickeln konnten. Und was die Geistlichkeit betrifft, ist das bei Corelli schon sehr deutlich zu spüren, weil er durch deren Vertreter so stark gefördert wurde.

Weil der Tanz am französischen Hof eine so große Rolle spielt, haben Sie deshalb für das Konzert in der Friedenskirche Ballettmusik von Lully ausgewählt?

Genau, damit eröffnen wir den Abend. Aber auch die „Dardanus-Suite“ von Jean-Philippe Rameau, die wir spielen und die 50 Jahre nach Lullys Tod komponiert wurde, ist reinste Ballettmusik. Das war typisch für die französische Oper dieser Zeit, dass es solche Balletteinlagen gab.

Ob nun als Komponist am französischen Hof oder abhängig von den Aufträgen eines Geistlichen in Italien, wie hat sich das auf die Werke beispielsweise von Lully und Corelli ausgewirkt? Wie viel künstlerische Freiheit war da überhaupt möglich?

Die waren zu dieser Zeit Stars. Gleichzeitig waren sie aber auch angewiesen auf einen Unterstützer, einen Geldgeber. Aber sie haben sich nicht in eine totale Abhängigkeit begeben. Ich glaube sogar, Corelli hatte alle Freiheiten, seinen Stil zu entwickeln und Musiker für sein großes Orchester zu engagieren. Man pilgerte nach Rom, um den großen Corelli zu erleben. Selbst Georg Friedrich Händel hat das als junger Mann getan. Das alles spricht dagegen, dass er sich wie in einem Korsett gefühlt haben könnte.

Das Gespräch führte Dirk Becker.

Konzert „Französischer Esprit und italienischer Gusto“ in der Friedenskirche Sanssouci am Sonntag, dem 5. Oktober, um 18 Uhr. Der Eintritt kostet zwischen 12 und 26 Euro.

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