Kultur: FrauenZimmer
Das 11. Festival der Frauen vom 8. bis 14. Oktober betritt weibliche Lebens- und Aktionsräume
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„Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, ich sehe, Sie ist hübsch und ist wohl gar fremd ...“, heißt es bei „Minna von Barnhelm“. Ein durchaus liebenswert gemeintes Kompliment, das dem Kammermädchen Franziska in dem Lessing-Stück zuteil wird. Wenn heutzutage von Frauenzimmern die Rede ist, hat das zumeist einen negativen Beigeschmack. Gegen diese Abwertung wollen die Frauen von „primaDonna“ anlässlich ihres 11. Festivals in der kommenden Woche kraftvoll und kreativ zu Felde ziehen: In den verschiedensten Zimmern und mit den verschiedensten Frauen.
„Der Name Frauenzimmer führt bis ins Mittelalter zurück. Er war der einzig beheizbare Raum in den Burgen und damit der anheimelndste. Später ging dieser Begriff dann auch auf die Bewohnerinnen über“, so Elke Liebs, die gerade emeritierte Professorin der Universität Potsdam, die als Vorstandsmitglied des Frauenzentrums in diesem Jahr das Festivalkonzept entworfen hat.
Zum Auftakt des durch verschiedene Frauenzimmer-Zeiten führenden Programms kann man sich in dem neu möblierten, gemütlichen Café von „prima Donna“ zurücklehnen und dabei die Lieblingsorte und Lebenswelten der Frauen von heute erkunden. Seit mehreren Wochen treffen sich eine Hand voll Potsdamerinnen an ihren Wohlfühlplätzen: an der Friedenskirche, dem Schloss Charlottenhof oder am Belvedere. Dort fotografierten sie, was sie besonders faszinierte. „Wir waren an den gleichen Orten und doch zog jede etwas anderes in den Bann: die eine interessierte sich für Wege, die andere für Bäume, für mich waren die Menschen am interessantesten“, so „prima Donna“-Mitarbeiterin Katrin Winkler. Nach der Vernissage dieser fotografischen „EinBlicke und AusSichten“ kann man in die Frauenzimmer von Pfarrhäusern während der DDR-Zeit „eintreten“. Barbara Wiesener liest aus dem von ihr herausgegebenen, facettenreichen Buch „Töchter der Opposition“.
In die Zeit der Hugenottinnen führt die Historikerin Silke Kamp am kommenden Mittwoch zurück. Für Elke Liebs lässt sich an den aus Frankreich emigrierten Frauen eine sehr ehrwürdige preußische Tradition ablesen. „Der oft gescholtene Soldatenkönig war nämlich viel besser als sein Ruf. Er nahm Menschen, die verfolgt wurden, bei sich auf – wenn auch nicht ganz uneigennützig. Die Ankömmlinge bekamen die gleichen Rechte wie die Einheimischen, und der König reiste durch sein ganzes Reich, um nachzufragen, wie es den neuen Landeskindern geht. Daher bekam der ,Herbergsvater“ auch seine Gicht.“
In argwöhnisch beäugte Frauenzimmer lässt Ines Geipel blicken. Sie gab gemeinsam mit Joachim Walther die „Verschwiegene Bibliothek“ in der Büchergilde Gutenberg heraus. Darin versammeln sich Texte von Frauen, die zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen keine Chance hatten, veröffentlicht zu werden. Nun können sich diese weggeschlossenen weiblichen Stimmen entfalten: am 10. Oktober um 20 Uhr sind sie im Literaturladen Wist zu hören.
Was Mode aus Frauen machen kann, davon wird Anja Fengler am Donnerstag mit ihren weiblichen Galanterien zur Zeit Sophie Charlottes erzählen. Frau wird erfahren, wo und zu welchen Zwecken Schönheitsflecken platziert wurden und was das Wedeln mit dem Fächer für Geheimnisse verbarg. Wer unter die selbstgenähten prachtvollen Barockkleider schaut, wird auch merken, dass Männer die Mode machten. Sie schnürte und engte die Damen ein, so wie Mann es liebte.
Noch mit Schleifchen und Rüschen versehen, aber schon weitaus lockerer ging es in der Frauenmode anno 1827 zu. In diese Zeit kann man sich hineinversetzen, wenn Anne Andres am 12. Oktober in ihr „Frauenzimmer in der Alexandrowka 12“ einlädt. Das von ihr und Lutz Andres renovierte Haus ermöglicht ein Hineinfühlen in das Alltagsleben der ersten (Haus)-Frauen in der russischen Kolonie.
Welche beflügelnde Auswirkung Zimmer auf Frauen haben können, darüber setzt die Ausstellung von Emily Pütter im Alten Rathaus in Erstaunen. Die seit 30 Jahren in Madrid lebende deutsche Malerin erhielt ein Karl-Hofer-Stipendium, das ihr erstmals das Arbeiten in einem großen Atelier ermöglichte. Dieser freizügige Berliner Raum setzte auch etwas ganz Ungewohntes in ihr selbst frei. Bislang den kleinen Formaten zugetan, wagte sie sich plötzlich an fünf Meter große Leinwände. „Und es floss nur so aus ihr heraus. Eine wahnsinnige Dynamik und emotionale Bildkraft spricht nun aus ihren Werken“, so Elke Liebs. Drei Frauen treten mit experimenteller Musik in ein Zwiegespräch mit diesen malerischen Entdeckungen. Und eine der Frauen reagiert sogar singend auf die Bilder.
Was Freiräume und Raumenge auslösen, zeigt der abschließende Filmabend. „Warum wir so gefährlich waren“ erzählt über Lesbierinnen in der DDR, während „Und wir nehmen uns das Recht“ die lesbische Emanzipationsgeschichte in der BRD beschreibt. Danach gibt es ein Gespräch mit Zeitzeuginnen, die in den Filmen mitwirkten, sowie flotte Rhythmen zum Tanzen. Das alles im Café Canapee in der Sellostraße: in gemütlicher Atmosphäre, so wie Frauenzimmer sie eben mögen. Heidi Jäger
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