zum Hauptinhalt
Überzeugender Gestalter auf vier Saiten. Der Violinist Guy Braunstein.

© promo

Von Klaus Büstrin: Frösteln bei den „Jahreszeiten“

Weihnachtskonzert mit Guy Braunstein und der Kammerakademie im Nikolaisaal

Stand:

Mit der „Geburt des Herrn“ hatte das Konzert nichts zu tun. Und wer an Pauken, Trompeten und dergleichen Dinge dachte, lag ebenfalls falsch. Die Kammerakademie Potsdam hat am zweiten Weihnachtsfeiertag eher ein Allerwelts-Konzert im Nikolaisaal auf die Bühne gebracht, das man auch an jedem anderen Tag im Jahr „verkaufen“ könnte. Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ kann man jedenfalls immer gut an die Frau und an den Mann bringen. Barockmusik klingt eben festlich. Und zu Weihnachten, so meint man, sind sie der richtige Stimmungsmacher.

Doch ob Weihnachtskonzert oder Nicht-Weihnachtskonzert, es machte Freude, diesem populärsten Violinkonzert-Zyklus zuzuhören. Die Kammerakademie lud dazu den Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Guy Braunstein, sowie den israelisch-amerikanischen Dirigenten Yoel Gamzou ein. Beide Künstler sind vor allem durch das gemeinsame Musizieren beim Rolandseck-Festival miteinander vertraut.

Einen „Jahrtausendhit“ landete Antonio Vivaldi wohl mit seinen „Vier Jahreszeiten“. Der Reiz dieser „Programm-Musik“ mit den klingenden farbigen Naturschilderungen ist ungemein hoch. Doch auch die hohen virtuosen Fähigkeiten, die vom Solisten und vom Orchester abverlangt werden, erstaunen immer wieder. Guy Braunstein und die Streicher der Kammerakademie haben eine Wiedergabe von großer Bildhaftigkeit vorgelegt. Da hörte man Hunde bellen in den Bratschen, hörte man buchstäblich das Gras wachsen und die Blätter von den Bäumen fallen in den betörend zart und leise gespielten Pianissimo-Passagen. In starken Kontrasten ließen Braunstein und die Kammerakademie die Musik schönste Lebendigkeit und Plastizität gewinnen, zwischen dem Stillstand der Natur und wirbelnder Bewegung.

Größte Wirkung hinterließ der schwirrende Sommersturm, der in seiner elementaren Kraft schon körperlich spürbar wurde. Ausgelassene Stimmung wurde beim „Herbst“ beschworen, entstand eine ländlich heitere Szenerie mit Tanz und Gesang, Trinken und Feiern. Eine zauberische Schneelandschaft tat sich im „Winter“ auf mit hauchzarten Streichern, die wie fallende Eiskristalle tönten. Buchstäblich frösteln ließen einen die eisig scharfen Akzente der am Steg gespielten Streichinstrumente. Dass sich auch im Winter trefflich feiern lässt, daran war nicht zu zweifeln bei dieser Wiedergabe. Hingebungsvoll im Lyrischen und virtuos in den rasanten Sätzen, von lieblich zart bis rustikal musizierte Guy Braunstein bewundernswert den geigerischen Solopart. Dies alles hat den nicht enden wollenden Beifall des Publikums herausgefordert.

Guy Braunstein hat, so schien es, den weitgehend gestalterischen Part der „Jahreszeiten“ übernommen, weniger der Dirigent Yoel Gamzou. Der kam erst bei den beiden Werken des zweiten Konzertteils richtig zum Einsatz. Dabei war er nicht mehr lediglich der „Stichwortgeber“. Bei dem „traurigsten klassischen Stück“ wie vor fünf Jahren die Hörer der BBC das Adagio für Streicher von Samuel Barber bezeichneten, hat er aber in den „dramatischen“ Passagen mit zu viel dirigentischem Kraftaufwand emotionale Intensität herstellen wollen. Das gab dem edlen, elegischen Charakter des Werkes einige allzu aufgesetzte Drücker, die Gamzou sicherlich nicht so wollte. Die Kammerakademie-Streicher versuchten trotzdem das Adagio aus tiefster Seele zu singen. Das Publikum war davon sehr ergriffen.

Mit Edward Elgars Serenade für Streichorchester e-Moll erklang abschließend die spätromantische Serenade für Streichorchester, ein feinsinniges Stück voller Wärme und Poesie. Die Musiker und Gamzou trafen den zarten, intimen Ton des Elgar-Werks, den sie zwischendurch schwelgerisch aufblühen ließen. Auch hierfür viel Beifall für Kammerakademie und den Dirigenten.

Am 30. und 31. Dezember ist die Kammerakademie Potsdam wieder im Nikolaisaal zu erleben. Zusammen mit dem Neuen Kammerchor Potsdam und dem Chor des Hermann-von-Helmholtz-Gymnasium Potsdam wird Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit dem Schlusschor über Verse aus Schillers Ode „An die Freude“ aufgeführt. Beide Konzerte sind schon ausverkauft

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })