Kultur: Galante Liebe und moderner Musentanz Saisonstart für das Neue Kammerorchester
Feste soll man feiern, wie sie fallen. Wenn möglich auch mit Tanz.
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Feste soll man feiern, wie sie fallen. Wenn möglich auch mit Tanz. So hält es jedenfalls das Neue Kammerorchester Potsdam unter Leitung von Ud Joffe, das anlässlich seines 15-jährigen Bestehens und der damit verbundenen Sinfoniekonzertreihe die diesjährige Saison unter das „La danse“-Motto stellt. Zum Auftakt am vergangenen Donnerstag in der Schinkelhalle kann man die barockvergnügliche und modern-neoklassizistische Bekanntschaft mit „Liebe & Muse“ schließen.
In der Ballettoper „Les Indes galantes“ von Jean-Philippe Rameau (1683-1764) werden junge Paare in ferne Länder geschickt, um die verschiedenen Formen der galanten Liebe zu erkunden. Doch mit „Les Indes“ ist keinesfalls das heutige Indien gemeint, sondern mancherlei exotische Gegend. Also auf zur Entführung in die Türkei, nach Peru, Persien und zu den Indianern Nordamerikas. Allerdings nur in Form einer Suite von gefälligen Minisinfonien und einer Fülle von kurzweiligen Tanzstücken wie Allemande, Sarabande und Gavotte. Wobei der Eindruck exotischer Fremdheit vor allem durch eine entsprechende Harmonik zustande kommt, die Jean-Philippe Rameau aufs Vortrefflichste zu handhaben versteht.
In vergleichsweise kleinerer Besetzung treffen die Musiker des Neuen Kammerorchesters Potsdam den revuehaften Charakter der Nummernfolge ganz vorzüglich. Sie spielen auf modernen Instrumenten, wissen mit historisch informierter Spielweise für einen schlanken, sehr lebendigen und akkurat pointierten Klang zu sorgen. Alles fließt und tanzt im Puls der Musik. Fast vermeint man sogar die Noten tanzen zu sehen. Was natürlich auch am Dirigenten liegt, der gleichsam als Ballerino mit seiner präzisen, geschmeidigen und rhythmisch-prägnanten Zeichengebung die Partitur zu choreographischem Leben erweckt. Schwungvoll und elegant, vibratolos, von Frische und Klarheit erfüllt, breitet sich die Ouvertüre aus, vielgestaltig das anschließende „Entrée des quatre Nations“. Mit herrischer Attitüde melden sich die buhlenden Liebhaber, mit Flötenseufzer die Damen zu Wort („Air pour les amants“). Pompös-imperial vollzieht sich der Aufmarsch der Krieger („Air pour les Guerriers“), gravitätisch die feierliche Anbetung der Sonne im fernen Peru („Air des Incas“), weihevoll der Tanz beim Rauchen der Friedenspfeife („Danse du grand calumet de Paix“). Und immer wieder sorgen solistische Zutaten von Flöte, Oboe, Fagott, Tambourin und Barockpauke für aufreizend gefällige Klangfarbenspiele.
Ähnlich abwechslungsreich und sinnenfroh gerät die konzertant-halbszenische Aufführung von Igor Strawinskys „Apollon musagète“-Ballett, das in melodiös-neoklassizistischer Machart vom göttlichen Musenführer und den Aufgaben der diversen Schutzgöttinnen für die Künste erzählt. Überraschend bereits der Prolog, der die Geburt des Apoll mit dunkel lastenden, alsbald ins Helle emporwachsenden Klängen schildert – und plötzlich ist er da. Per Statue mit der Lyra in der Hand als Schattenbild auf großer Leinwand. Davor befindet sich ein Podium, auf dem die amerikanische Tänzerin Heidi Weiss ihre vom Ausdruckstanz einer Mary Wigman oder Gret Palucca beeinflussten Körperarbeiten darbietet: weitgreifende Ausfallschritte, ausgestreckte Arme, gymnastikartige Bewegungen am Boden. Ab und an verschwindet Weiss hinter die Leinwand, um als Schatten eine weitere Variation einer Muse kraftvoll auszudeuten. Raffinierte Beleuchtungseffekte (Silvio Schneider) sorgen für eine atmosphärisch dichte Deutung des Geschehens, zu dem die zartgetönte, dann wieder jazzig swingende Musik einen erheblichen Anteil hat. Peter Buske
Peter Buske
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