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Streng nationalistisch. Anhängerinnen der Düütschen Deerns aus der Lüneburger Heide bei einer Demonstration im Juni 2010 in Hildesheim. Immer mehr Mädchen und Frauen agieren in Deutschland in der rechtsextremen Szene.

© Andrea Röpke

Kultur: Gebildet, sympathisch – und rechts

Andrea Röpke stellte ihr Buch „Mädelsache! – Frauen in der Neonaziszene“ bei „primaDonna“ vor

Stand:

Die Geste der jungen Mutter ist gewaltgeladen und provokant. Die kleine Tochter auf dem Arm, richtet sie ihren Mittelfinger aggressiv in Richtung der Journalisten, denen wieder einmal der Zutritt zu einer politischen Zusammenkunft mit rechtsradikalem Hintergrund untersagt worden war.

Andrea Röpke, freie Journalistin und Mitautorin des Buches „Mädelsache! – Frauen in der Neonazi-Szene“, die diesen Moment in einem kleinen Informationsfilm über Frauen in der rechten Szene eingefangen hatte, spricht am Mittwochabend in den Räumen von „primaDonna“ des Frauenzentrums vor überschaubarem Publikum unaufgeregt, aber mit Tempo über das bis heute völlig unterschätze Phänomen des weiblichen Rechtsextremismus. Sie klärt auf über die Strategiepalette zur Sympathisantengewinnung, wie Vereinsgründungen und gezieltes Ansiedeln in Regionen, und über braungefärbte Foren für Erziehung, Naturheilkunde oder Ökologie.

Andrea Röpke und ihr Kollege Andreas Speit, Mitautor des im Ch.Links erschienenen Buches, sind seit Jahren in der rechten Szene unterwegs, sammeln akribisch Fakten und geben einen detaillierten Einblick in deren Innenleben.

Es sei unbestritten, dass Rechtsradikalität vor allem ein männlich geprägtes Bild vermittele. Allerdings beobachtet Andrea Röpke das alarmierende Bild, dass auch die Frauen an der Seite ihrer Männer ihre Aufgaben zunehmend wahrnehmen: die Stärkung der Bewegung von innen, und immer mehr auch auf Außenwirkung und offenes politisches Engagement bedacht. Kenntnisreich entwirft die Autorin ein Bild aktueller weiblicher Organisation von rechts.

Die Frauen, zu denen beispielsweise Siegrid Schüßler, Linda Neubauer, Ricarda Riefling oder Manuela Kokott zählen, sind gebildet und sympathisch, oft Mutter mehrerer Kinder, engagiert im Schwimmverein oder in den Elternvertreterschaften der Kindergärten und Schulen und sie halten ihre Zielsetzungen hoch: die Frau als Gefährtin des Mannes, als Versorgerin, als Mutter. Ihre Erziehungsgrundsätze sind streng nationalsozialistisch und berufen sich vor allem auf die Reinhaltung der Rasse, auf Tradition und Brauchtum. Tanzfeste, Gedenkmärsche, Überlebensstrategien für den Ernstfall, die das Abhärten der eigenen Kinder mit einbezieht – so sehen die Grundsätze dieser Frauen aus, und die verstreuen sie wie Gift in ihrer Umgebung. Ihre Feindbilder sind Feminismus, Gender Mainstreaming und vor allem Homosexualität. Bei diesem Thema, so Andrea Röpke ein wenig zynisch, verlieren sie dann doch ihre Contenance und werden gern einmal ausfallend.

Eine junge Mutter im Publikum fragt besorgt, was denn zu tun sei, wenn ihr Kind zufällig an einen Freund gerate, der mit nationalsozialistischem Gedankengut infiziert sei. Haltung zeigen, Grenzen aufzeigen, nicht wegsehen, ist Andrea Röpkes Tipp.

Ausgehend von der Heinrich-Himmler-Tochter Gudrun Burwitz oder der Schwarzen Witwe Florrie Rost van Tonningen, Leitbildern des weiblichen Rechtsextremismus, geht sie auf aktuelle Organisationen wie den 2006 gegründeten Ring Nationaler Frauen, die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF), die Bewegung Jeanne D. oder die Frauenkameradschaft Düütsche Deerns ein. Dabei weist Andrea Röpke auch auf regionale Strukturen hin, geht vor allem auf Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ein, ohne aber den Hinweis zu vergessen, dass weiblicher Rechtsextremismus im gesamten Bundesgebiet ein ernstzunehmendes Problem darstelle. Allerdings seien die Prignitz oder das Havelland vor allem für den GDF wirkliche Schwerpunktgebiete, in denen sich die Frauen durch besondere Überzeugung und Disziplin auszeichnen und vor allem der mehrfachen Mutterschaft sehr offen gegenüberstehen. Seinen Ursprung hat die GDF in Berlin als Nachfolger der vor 20 Jahren gegründeten Skingirlfront Deutschland.

Über eine politisch anders geartete Begegnung erzählte Kai Kersten, der sich ehrenamtlich beim Archiv e.V. engagiert und die Diskussionsreihe „Nazis 2.0“ ins Leben gerufen hat. Die tourt, unterstützt von der Sicherheitskonferenz Potsdam, mit verschiedenen Themen zum Rechtsextremismus durch die Institutionen der Stadt und suchte sich für das ausgesprochen weibliche Thema des Abends den „primaDonna“-Verein als Veranstaltungspartner aus. Kai Kersten brachte das Thema Verfassungsschutz in die Diskussion ein, „der sich ja bekanntermaßen selbstbewusster bei der Auseinandersetzung mit Linksextremismus zeigt“. Kersten berichtete von einem kürzlich stattgefundenen, sehr angeregtem Gespräch mit der Leiterin der Abteilung Verfassungsschutz in Brandenburg, Winfriede Schreiber. Als er sich als ehrenamtlich Engagierter eines linksorientierten Zentrums outete, habe die Verfassungsschützerin das Gespräch sofort abgebrochen. Kai Kersten macht damit ein weiteres Problem deutlich: Stigmatisierung und das offensichtlich fehlende Differenzieren.

Andrea Röpke, Andreas Speit: „Mädelsache! – Frauen in der Neonaziszene“, Ch. Links Verlag, 16,90 Euro

Andrea Schneider

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