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Kultur: Geburtstag und Abschied

Lesungen erinnern an Ralf-Günther Krolkiewicz

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Als sie sich im Sommer verabschiedeten, hatte Carsten Wist ein ungutes Gefühl. Er spürte, dass er den Freund vielleicht nicht mehr wiedersehen würde. Ralf-Günther Krolkiewicz machte sich als kranker Mann ganz allein auf den Weg nach Thailand, um alles hinter sich zu lassen. Am 5. Oktober starb er in der Fremde, in einem Krankenhaus.

„Es war so, als wenn der Motor ausfällt“, erinnert sich Carsten Wist an die letzten Begegnungen. „Ralf konnte sich nicht mehr selbst motivieren – trotz der Liebe zu seiner kleinen Tochter und der künstlerischen Produktion.“ Oft habe er in seinem Buchladen gesessen, einfach den Leuten zugesehen, erzählt der Chef des Literaturladens. Dort wird es am 19. November, am 53. Geburtstag von Ralf-Günther Krolkiewicz, eine Erinnerungsveranstaltung geben. Ein Film wird zu sehen sein, gedreht von Claus Dobberke, der Krolkiewicz noch einmal auf der Bühne zeigt: Sich gemeinsam mit seinen Schauspielern verbeugend und sich wie ein Kind über den Erfolg von „König Lear“ im Frankfurter Kleist Forum freuend. Auch Bilder, die er wie besessen in seinen letzten Lebensjahren malte, werden bei Wist ausgestellt. Und Schauspieler vom Hans Otto Theater lesen Gedichte und Texte des Verstorbenen. Auch aus „Hafthaus“, den Erinnerungen an das Stasi-Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße und in Cottbus.

Carsten Wist, damals Bühnenarbeiter am Hans Otto Theater, war dabei, als der Schauspieler Krolkiewicz 1984 im Spartacus-Club aus seinen systemkritischen Texten vortrug und kurz darauf verhaftet wurde. „Für mich war die Lesung wie ein beschleunigter Ausreiseantrag, für Ralf zeigte sich darin eine gewisse Form seiner Naivität.“ Für die er teuer bezahlen musste. Er erlebte eine Pein, die sein Körper nicht abzuschütteln vermochte.

Carsten Wist sah Krolkiewicz nach der Wende wieder: nunmehr in Augsburg am Theater und schließlich als Intendant in Potsdam. Dort arbeiteten sie für ein gutes Jahr zusammen. „Eine sehr enge Zeit, die auch in der schwierigen Phase nach dem Ausstieg aus dem Theater und dem zunehmenden Ausbruch der Parkinson-Krankheit anhielt. Obwohl es nicht leicht gewesen ist, mit ihm befreundet zu sein. Er war immer ein sehr skeptischer Mensch. Am Ende ist Ralf in die innere Emigration gegangen, ein Dialog war nicht mehr möglich.“

Ein Bild möchte Carsten Wist, der viele Schritte und Knackse im Leben von Ralf-Günther Krolkiewicz mit erlebte, gern in seiner Erinnerung bewahren. „Es war im Juni, da sah ich ihn in seinem hellen Anzug im Café ,Backstolz’ sitzen, neben sich den Skizzenblock. Er spielte dort in einer Preisskatrunde mit, obwohl er das gar nicht so gut konnte. Die Männer haben ihn hart angepackt, aber integriert. Man sah, dass es ihm viel Spaß machte. Er war auch in seinem Dorf Bredow lieber mit dem Kneiper zusammen als mit Künstlern.“ Carsten Wist wird an der Abschieds-Geburtstagsfeier selbst einen Text lesen: „Vergessen, Erinnern“, den Ralf-Günther Krolkiewicz einst für ihn schrieb.

Bereits an diesem Sonntag gibt es um 11 Uhr eine Matinee, die an den verstorbenen Künstler erinnert. Im Theater ’89 in der Torstraße 26, Berlin-Mitte, lesen die Schauspieler Simone Frost, Angelika Perdelwitz, Hans-Joachim Frank, Bernhard Geffke u.a. aus dem Krolkiewicz’ Stück „Herbertshof“. Darin geht es um Gewalt, Schuld und Verdrängung und auch um das eigene schicksalsschwere Leben. Heidi Jäger

Eintritt frei, Kartenreservierung für das theater ’89 unter 030–282 46 56.

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